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Anfang Juni ist es sehr heiß in Kalifornien. Als Alyssa den Wasserhahn aufdreht, kommt kein Tropfen. Arizona und Nevada sind ohne Vorwarnung aus dem Stausee-Hilfsprogramm ausgestiegen, weil sie das Wasser selbst benötigen. In den Nachrichten wird verlautet, dass die Ressourcen aller Wasserdistrikte an Einrichtungen der "kritischen Infrastruktur" umgeleitet werden - aber dass sei nur eine vorübergehende Maßnahme. Vor allem sei bei diesem "Tap out" nun Ruhe zu bewahren. Doch das fällt schwer, wenn in allen Läden Flaschen und sonstige Behälter mit Wasser von jetzt auf gleich leer gekauft sind.
Als ihre Eltern von einer Expedition zu einer Meerwasserentsalzungsanlage nicht mehr zurückkehren, können die sechzehnjährige Alyssa und ihr zehnjähriger Bruder Garret nur noch auf den Nachbarjungen Kelton hoffen. Er ist seit Langem in Alyssa verliebt, wurde aber von ihr ebenso lange ignoriert. Zusammen mit seinem sich schon seit Jahren auf eine solche Katastrophe vorbereitenden "Prepper-Vater" galt er bestenfalls als seltsam …
Neil Shusterman und sein Sohn Jarrod legen mit "Dry" einen dystopischen Jugendroman vor, der in seinen wesentlichen Aussagen zu überzeugen vermag und bis zur letzten Seite die Spannung aufrechterhält.
Kalifornien muss tatsächlich schon seit Langem große Anstrengungen zur Sicherung seiner Wasserversorgung unternehmen. Ein "Tap out" liegt somit durchaus im Bereich des Möglichen - im Original Anfang Oktober 2018 erschienen, dekliniert das Buch bereits so überzeugend wie detailreich die bisherigen Verdrängungsmechanismen in Sachen Klimawandel und die daraus folgenden Schreckenszenarien der Fridays-for-future-Protestbewegung durch.
Alyssa, ihr Bruder Garret und Kelton bilden zusammen mit der etwas älteren Überlebenskünstlerin Jacqui und dem mehr als geschäftstüchtigen Henry eine Art Überlebensquintett. Die meisten Kapitel werden im Wechsel jeweils aus der Perspektive der vier Jugendlichen erzählt. Jeder von ihnen hält sich bedeckt, und so lernen sie erst sehr spät einander wenigstens teilweise zu vertrauen. Dazwischen finden sich gleich "Schnappschüssen" Einsprengsel von dem Geschehen an anderen Orten, die nicht zuletzt die Ausweitung des Problems verdeutlichen helfen.
Der Gebrauch nur allzu zahlreich griffbereiter Schusswaffen wird anfangs vor allem von Alyysa noch kritisch gesehen, ist aber in Notwehrsituationen nicht mehr vermeidbar. Und die zeichnen sich bald ab, da außer den erwähnten "Preppern" niemand einen ausreichenden Wasservorrat angelegt hat und nach wenigen Tagen vor Durst wahnsinnige Menschen vor nichts und niemanden mehr halt machen.
Einzig wie fokussiert alle fünf mit ihren Belastungen von Anfang an umgehen, wirkt weniger realistisch als in ihrer "zufälligen" Zusammensetzung allein der Dramaturgie geschuldet.
Insgesamt aber ist das Buch spannend bis zur letzten Seite und zur Unterhaltung über ein immer dringlicher werdendes Thema zu empfehlen.