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Ein Mann, völlig orientierungslos auf der Straße einer fremden Stadt, in einem fremden Land. Auf dem Friedhof angelangt, sieht er den Grabstein eines vor Jahrzehnten verstorbenen Gordon Bell. So stellt er sich nun auch einer Begräbnisgesellschaft vor, die ihn nach der Beerdigung zum Leichenschmaus einlädt. Da er weder Brieftasche noch Bargeld bei sich führt, sagt er zu. Scheinbar wie sie ein Bekannter des Toten und somit scheinbar auch ein ehemaliger Angehöriger des Britischen Geheimdienstes, verhelfen sie ihm zu einer neuen Existenz. In der Zwischenzeit wird Gordon von seiner Frau, seinem Vater und bald auch von der Londoner Polizei gesucht: Sein Verschwinden läßt nämlich den kurz zuvor in Norwegen für sich erwirkten Freispruch von einer Mordanklage wieder sehr fraglich erscheinen.
Frederik Skagen ist einer der erfolgreichsten skandinavischen Autoren, und endlich kann man sich seinen Roman 'Schwarz vor Augen' auch auf deutsch einverleiben. Die für Thriller nun ja nicht gerade selten genutzte Exposition eines Protagonisten mit Gedächtnisverlust versteht er auf sehr subtile Weise zu einem neuen Leseerlebnis zu machen. Während von 'außen' die Ereignisspirale mit jeder Seite enger gezogen wird, eröffnet Gordons stoische Innensicht die befreienden Aspekte eines vollkommenen Neubeginns ohne auf irgendjemanden oder irgendetwas Rücksicht nehmen zu müssen. Man wünscht Gordon fast, seine Zuflucht gar nicht erst aufgeben zu müssen. Der z.T. sehr skurille Handlungsverlauf nimmt darauf jedoch keine Rücksicht, hält aber am Ende dennoch eine überraschende Volte bereit. Ein spannendes, sehr intelligent aufgezogenes Stück Unterhaltungsliteratur, das dem Genre-Einerlei ein Glanzlicht aufsetzt.