Jens Sparschuh

Lavaters Maske

Mehr aus Versehen denn aus eigenem Antrieb durchforstet ein Schriftsteller die Handschriften Lavaters. Von seinem Agenten befragt, womit er sich gerade beschäftigt, hatte er gedankenlos den Namen dieses Begründers der Physiognomik ins Spiel gebracht und das Gegenüber war wider Erwarten sofort darauf angesprungen: Daraus ließe sich doch ein Film machen und er hätte sogar schon einen solventen Interessenten dafür! Nicht gerade mit einem starken Rückgrat gesegnet, macht sich der Schriftsteller also an die Arbeit. Bei seinen Recherchen stößt er auf den authentischen Fall von Lavaters Schreiber Enslin, der sich seinerzeit unter mysteriösen Umständen erschossen hatte. An dieser Nebengeschichte beißt sich der Schriftsteller fest, eröffnet sie ihm doch einige Möglichkeiten der eigenen Phantasie freien Lauf zu lassen.

Jens Sparschuh nimmt in seinem neuen Roman das doppelbödige Scheindasein von 'Kulturschaffenden' aufs Korn. Sicher nicht der erste, der sich mit dieser Thematik auseinandersetzte, dürfte 'Lavaters Maske' doch vielen den Rang ablaufen. Denn er spiegelt, ähnlich den Romanen von Klaas Huizing, nicht nur selbst gemachte Beobachtungen wider, sondern bezieht geradezu brillant die Historie mit ein. Lavaters These, aus den menschlichen Gesichtern Charaktereigenschaften ablesen zu können, wird einerseits sorgsam referiert, um dann umso aberwitziger auf die Spitze getrieben zu werden. So eröffnet der Fortgang der Ereignisse das skurrile wie desillusionierende 'work in progress' eines Drehbuchautoren, und gewährt zugleich zwerchfellreizendes Hintergrundwissen über Lesereisen oder die Unterbringung als Stipendiat. Getragen wird das Ganze von einer Sprachfertigkeit, deren subtile Komik sich Absatz für Absatz durchaus mit dem frühen Woody Allen messen kann - einfach köstlich!

Weitere Besprechungen zu Werken von Jens Sparschuh siehe:
Büchernachlese-Extra: Jens Sparschuh