www.buechernachlese.de
|
Erstaunlich, was sich in einem unscheinbar türkisem Bändchen
verbergen kann, dessen 159 Seiten im Paperback auf 8 Millimeter "Dicke"
gepreßt wurden. Selten genug: Die Aufmachung dieses Büchleins
unterbietet zweifellos seinen Inhalt.
EINE SCHLECHTE GESCHICHTE ist ein virtuos angelegtes Verwirrspiel.
Fünf Personen treffen sich zu einem Erzählabend. Gemeinsam soll
eine Geschichte erfunden werden, die "traurige Kriminalgeschichte"
eines ermordeten Landtstreichers. Die Frau des Pfarrers, der Pfarrer selbst,
ein Bestattungsunternehmer, ein Schreiner und der Bürgermeister, als
Ex-68iger der anarachischen Erzählweise verhaftet, schlüpfen
in die Rolle des Ermordeten, der von seiner Kindheit an um jeweil zehn
Jahre älter wird und auch die Himmelsrichtung des Erzählortes
zu wechseln hat.
"Wir lebten in der Mitte. Die Mitte war ausgeglichen, sie hatte
etwas von beiden Seiten, sagte man, vom Osten und vom Süden. In den
Norden und den Westen ging damals niemand. Außer meiner Mutter, aber
davon später."
Das erste größere Werk von Wolfgang Stauch, Jahrgang 1968,
ist von beneidenswerter Dichte und Geschlossenheit. Die Ausgangssitutation
wird zur Wurzel verschiedener subjektiver Erzählwinkel, die die Möglichkeiten
und Beschränkheiten des Erzählens ohne jede Betulichkeit aufdecken,
das Erzählen selbst zum spannenden Motor dieser Erzählung werden
lassen.
Jede Geschichte trägt sich selbst und fordert das Interesse des
Lesers heraus. Zugleich wird die Neugier immer größer, wie der
Autor all diese Fäden zu einem überraschend folgerichtigen Knoten
zusammenbinden kann, und - er kann es!
Der Autor flüstert gleich einer Schehezerade seinen Erzählern
unaufdringlich mitreißende Alltagsgeschichten ein, deren Wahrheiten
und brilliante Form den Leser zum bereitwilligen Mitspieler machen. Ein
wirklich (s)einen Preis wertes Lesevergnügen!