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Karlijn Stoffels

Mojsche und Rejsele

Roman ab 13 Jahre. Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 1998, 199 S., ISBN: 3-407-79786-9, >>> Amazon
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In Tel Aviv wird Mojsche Schuster zu einer Sendung über Janusz Korczak und sein Waisenhaus eingeladen. Aber Mojsche Schuster lehnt ab, er will mit niemanden reden, schon gar nicht über Korczak und sein Waisenhaus in Warschau. Als jedoch wenig später in Radio Tel Aviv ein Lied von Mordechaj Gebirtig erklingt, ist der alte Mann kurz vor einem Zusammenbruch und er kann sich seiner Erinnerungen nicht mehr erwehren. Das Lied handelt von einem Mädchen namens Rejsele, und eine Rejsele sang dieses Lied auch 1939 als Mojsche in jenes Waisenhaus von Janusz Korczak kam. Mojsche und Rejsele waren damals dreizehn Jahre alt und sich bald in kratzbürstiger Haßliebe zugetan. Mojsche erschienen die Gepflogenheiten im Waisenhaus völlig verrückt und dieses ewig freundliche Getue der als seiner Betreuerin verpflichteten Rejsele unerträglich. Die gewaltfreie aber dennoch subtil wirksame Autorität Korczaks traf lange Zeit auf seinen pubertären Widerstand. Nach dem Ablauf eines jüdischen Jahres im Herbst 1940 betrachtete Mojsche das Ganze dann immerhin schon mit einer Art dankbaren Skepsis. Nun wollte er auch Rejsele seine Liebe gestehen, trat aber immer wieder in selbstaufgestellte Fettnäpfchen. Als es ihm schließlich gelang, trennten sich ihre Wege - scheinbar unwiderruflich. Mojsche ging als jugendlicher Kurier in den Widerstand, Rejsele blieb bei Korczak und den Kindern.
Der Arzt und Kinderbuchautor Janusz Korczak war schon zu Lebzeiten eine Ikone polnischer Reformpädagogik. Sein Einsatz für verlassene Straßenkinder und Waisen fand weltweite Anerkennung. Ein Fanal der Liebe und Loyalität zu den von ihm betreuten Kindern setzte er, als er sie freiwillig auf den mörderischen Gang in das KZ Treblinka begleitete und mit ihnen dort gemeinsam umkam.
Die niederländische Autorin Karlijn Stoffels hält Rückschau auf diesen großartigen Mann, ohne ihn zur Hauptfigur ihrer anrührenden Liebesgeschichte zwischen "Mojsche und Rejsele" zu machen. Der Blick des jugendlichen Mojsche kratzt vielmehr an dem Sockel eines Denkmals, das nur allzuleicht die Erinnerung an den Menschen dahinter gefährdet und ihn so in falscher Vollkommenheit erstarren läßt. So wußte auch Korczak nie auf alles gleich eine Antwort und auch dann nicht immer eine richtige, aber in seiner Haltung und seinem Bemühen war er den meisten Pädagogen dieser Generation eben um Jahrzehnte voraus. Das erlaubte Mojsche auch, sich nicht verbiegen zu müssen und seinen eigenen Weg zu gehen. Es ist der Weg eines dreizehn-, vierzehnjährigen, der wie andere Jugendliche seines Alters, gegen alles Erwachsene, Regelhafte in Stellung geht und sich zugleich mit einem sich verändernden Körper, erwachender Sexualität sowie den widersprüchlichen Gefühlen gegenüber dem anderen Geschlecht auseinandersetzen muß. Diese bekannten Probleme werden in jener lapidaren Abgeklärtheit geschildert, die auch, brillant von Mirjam Pressler übersetzt, auf deren Situationskomik abzuheben weiß. Die Identifikation mit dem fiktiven Mojsche fällt von daher nicht schwer und erleichtert wiederum die Auseinandersetzung mit den historisch belegten Auswirkungen der Judenverfolgung in Warschau. Es geraten die grotesken Brutalitäten der deutschen Besatzer in den Blickpunkt, aber auch die vermeintlich selbstauferlegte Wehrlosigkeit der Juden - etwas, womit selbst Israelis von heute noch nicht klarkommen. Letzte Antworten kann es darauf nicht geben, aber das Gegenüber in Karlijn Stoffels Debutroman ist auf mitreißende Weise anstößig und hält das heilsame Fragen auch in der nächsten Generation wach.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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