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Die Zeit der Sommersonnenwende hat von jeher auf die Gemüter der
Menschen eingewirkt. Man denke nur Shakespeares Sommernachtstraum. Uwe
Timm, vor einiger Zeit durch "Die Entdeckung der Currywurst" in
aller Munde gewesen, griff nun ebenfalls den Mythos von der kürzesten
Nacht des Jahres auf.
Eigentlich fehlte dem Ich-Erzähler nur der erste,
alles entscheidende Satz für eine Geschichte. In seiner Verzweiflung,
ihn nicht formulieren zu können, nimmt er zwischenzeitlich eine Auftragsarbeit
an. Er wird jetzt etwas über Kartoffeln schreiben. Angefangen von
der Peru-Preußen-Connection über die Kartoffel und die deutsche
Mentalität bishin zu Bratkartoffelverhältnissen. In Berlin soll
ein Agrarwissenschaftler leben, der über diese "Sättigungsbeilage"
jahrelang geforscht hat, und in Berlin sind gerade hundertausende Touristen
eingefallen: Christo ist dabei, den Reichstag zu "verhüllen".
Vor dem Hintergrund dieser kunstvoll schönen Verrücktheit begegnet
der Protagonist recht eigenartigen Menschen, die meist etwas anders zu
sein scheinen, als sie es dann tatsächlich sind. So z.B. der angebliche
Lederfachmessenbesucher, der ihm eine Papierjacke andreht oder das Telefonsexgirl,
das eine Magisterarbeit über die Erwähnung der Kartoffel in der
Literatur versucht hatte.
Uwe Timm beweist in seiner JOHANNISNACHT fingerfertige
Virtuosität und zelebriert den Slapstick genauso gekonnt wie die anrührende
Anekdote. Nur als sogar Waffenhändler auftauchen, überspannt
er den Bogen ein wenig.
Aber abgesehen davon, ist dieser Roman von einer
intelligenten Leichtigkeit, die so manch deutsch-deutschen Gegensatz in
ein skurril magisches Licht zu tauchen vermag.