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Mitte der siebziger Jahre erschien im dtv-Verlag ein Taschenbuch mit dem Titel DER KLEINE HOBBIT, fast 40 Jahre nach dem Erscheinen der Orginalausgabe in England. Wie schon zwanzig Jahre zuvor in den USA, teilte dieses Buch genauso wie das sich daran anschließende 1200 Seiten Werk mit dem Titel DER HERR DER RINGE (Klett-Cotta) die Leser in zwei Lager: Die einen konnten mit diesen Phantastereien des J.R.R. Tolkien gar nichts anfangen, die anderen waren süchtig geworden und lasen trotz des gewaltigen Seitenumfanges mehrmals die Geschichten über jene kleine Wesen mit behaarten Füßen, die mit dem liebevoll karikierten Impetus pfeiferauchender Engländer versehen waren und vor allem ihre Ruhe schätzen. Genau diese Ruhe aber wurde von Gandalf, dem weisen aber auch ungeduldigen Zauberer gestört: Bilbo Beutlin und seine Freunde mußten sich gemeinsam mit den zuerst feindseligen Zwergen auf den Weg machen, um von einem haarsträubenden Abenteuer ins andere zu geraten. Zauberhafte Elben, gräßliche Orks, uralte Ents und all die anderen Wesen auf Mittelerde werden von der aufziehenden Dunkelheit in Angst und Schrecken versetzt. Nur die sich selbst überwindende Tapferkeit zweier kleiner Hobbits läßt den Leser am Schluß endlich aufatmen ...
Zum hundertsten Geburtstag von J.R.R. Tolkien (1892-1973), hat Klett-Cotta
nun auch die von Humphrey Carpenter in Zusammenarbeit mit Christopher Tolkien
herausgegebenen Briefe ins Deutsche übertragen lassen. J.R.R. Tolkien
hatte zeitlebens eine umfangreiche Korrespondenz gepflegt, die nachzulesen
für den Kenner obengenannter Titel geradezu ein Muß ist.
Tolkien war Professor für Angelsächsisch u.a. in Oxfort, und
in der Fachwelt bereits wegen seiner Arbeit am New English Dictionary und
den Übertragungen zweier mittelalterlicher Dichtungen ins Neuenglische
bekannt. In den Briefen nun wird das Ringen eines Autoren belegt, der,
obwohl angesehener Professor und Buchautor, erst sehr spät die Früchte
seiner Arbeit genießen konnte. Seine Auseinandersetzungen mit Verlagen
sind ebenso erhellend (und leider wohl immer noch gültig) wie seine
Briefe an die Söhne und Freunde, in denen er die Hintergründe
seiner Erzählungen belegt. Z.B., daß ihn, den Sprachwissenschaftler,
eher ein einzelnes, in sich schönes Wort inspiriert hat, als ein bestimmtes
Thema. Auch wenn er seinen vergleichsweise liberalen Katholizismus in seinen
Briefen nicht verleugnet, ging es ihm nie um eine spezifisch religiöse
Botschaft. Vielmehr wollte er Geschichten schreiben, die ihn selber gefesselt
hätten, wären sie schon geschrieben gewesen. Damit sie plausibel
sind, schuf er um die beiden obengenannten Werke noch das SILMARILLION,
eine "Schöpfungsgeschichte", die in ihrer Dichte dem Sagenkranz
des Alten Testamentes vergleichbar ist. Tolkien wollte immer, daß
das SILMARILLION vor dem HERRN DER RINGE erscheint, aber die Verleger verzögerten
sein Erscheinen über Tolkiens Tod hinaus, sodaß erst sein Sohn
Christopher sich an die Herausgabe dieser Arbeit machen konnte. Es wird
auch beantwortet, warum Tolkiens Werk in Deutschland erst so spät
erscheinen konnte. In einem Briefentwurf an den Verlag Rütten &
Loenig von 1938 heißt es: "Wenn ich Sie aber so verstehen darf,
daß Sie wissen möchten ob ich von jüdischer Abstammung
bin, so kann ich nur erwidern, daß ich es bedauere, offenbar keine
Vorfahren aus diesem begabten Volke zu haben."
J.R.R. Tolkien vereinigte offensichtlich in sich viele Züge seiner
märchenhaften Protagonisten. Nicht zuletzt auch deshalb fesseln einen
seine Briefe genauso wie seine Geschichten, man kommt nicht los von ihnen,
es sei denn, man hat den letzten Brief, geschrieben vier Tage vor seinem
Tod, endlich verschlungen.
Ein weiteres Geburtstagsgeschenk ist die Neuausgestaltung von DER HERR DER RINGE. Neben der dreibändigen, leider nicht sehr stabilen Paperbackausgabe, liegt nun auch eine mehr als preiswerte, einbändige Dünndruckbuchausgabe vor. Fadengeheftet in zinnoberrotem Ganzleinen und mit farbigen Illustrationen ausgestattet, die der Trivialisierung dieses Fantasy-Märchen-Epos augenzwinkernd Paroli bieten und dennoch der eigenen Phantasie keine Grenzen setzen, wird dieses Buch zu einem bibliophilen Hausschatz. Es ist zudem genau die Ausstattung, die sich Tolkien gewünscht hat - aus ganz bestimmten Grund, wie in den BRIEFEN nachzulesen ist. Tüpfelchen auf dem i sind zwei Lesebändchen, die das Blättern zwischen Text und dem ausführlich erweiterten Anhang erleichtern. Für den Einstieg in die "Buchdrogen" des J.R.R. Tolkien also genau der richtige Stoff.