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Hans-Ulrich Treichels Gedichte habe ich nicht gelesen, weil ich - pardon! - überhaupt nur wenig Gedichte lese. Aber seine Prosabücher, von denen es das letzte ('Tristanakkord') sogar ins Literarische Quartett geschafft hat, waren mir stets Genuß und Freude. Jetzt wurden unter dem Titel 'Der Entwurf des Autors' seine 'Frankfurter Poetikvorlesungen' vorgelegt. Meine Erwartungen daran waren jedoch nicht besonders hoch, vermutete und befürchtete ich doch 'gelahrtes', selbstreferentielles Germanistengefasel, das bestenfalls unsereins, die Autoren aufregen könnte. Ich Kleingläubiger!
Ungeachtet der unterschiedlichen Wesensmerkmale von Roman, Erzählung, 'Bericht' und diesen Vorlesungen jetzt, und ohne auch nur ein Wort meiner früheren sowieso schon positiven Kritiken zurückzunehmen, ist dieses Buch in seiner prosaischen Dichte und mit seinem lapidar lakonischen Witz womöglich das bislang Beste aus Treichels Feder - und entschlüsselt zudem ganz offen so Manches, was den realen Hintergrund seiner bisherigen Werke ausmacht.
Seine fünf Reden bzw. Kapitel könnten jede für sich stehen und sind doch raffiniert miteinander verwoben. Sie spannen einen mitreißend eloquenten, mit seinen zitatenreichen Querbezügen niemals ermüdenden Bogen über das Mißliche eines Autors, der weder auf die schwere Geburt eines Goethe oder auf die von Hemmingway geforderte unglückliche Kindheit z.B. eines Kafka verweisen kann, und wie dann so einer, mit ostwestfälischer Herkunft und Bielefeld als nächster die 'große Freiheit' versprechenden Stadt, in der römischen Villa Massimo landet, um sich eines hochgeschätzten Stipendiums würdig zu erweisen. Die letzten Zeilen lauten denn auch: 'Nicht nur den schlechten Tagen muß man sich gewachsen zeigen. Auch die guten müssen wir bestehen.'
Aber Achtung! Nicht Parodie, sondern eben jener selbstironische Esprit wird hier ausgespielt, den man hierzulande wenigstens der Hälfte aller dozierenden Redner abverlangen können wollte.
Weitere Besprechungen zu Werken von Hans-Ulrich Treichel siehe:
Büchernachlese-Extra: Hans-Ulrich Treichel