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Walter Umminger

Das Winterkönigreich

Roman. Klett-Cotta, Stuttgart 1994, 1104 S., ISBN: 3-608-95005-2, >>> Amazon
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Im Jahre 1596 beschließt der Augsburger Publizist Samuel Dilbaum eine politische Zeitung zu gründen, denn "stark empfinde ich die Angst vor dem Verschweigen unserer letzten Wirklichkeit, das zur letzten Ursache unser aller Vernichtung werden kann". Trotz vieler Anfeindungen und lebensbedrohender Denunziationsgefahr hat sich um Dilbaum bald ein reißfestes Netz von Korrespondenten geknüpft, das europaweit den mit Mord-und Folterwerkzeugen ausgetragenen religiösen Wahnwitz jener Epoche nicht nur zu kommentieren, sondern auch zu verhindern sucht. Das meiste kann zwar nicht gleich veröffentlicht, aber wenigstens für spätere Generationen archiviert werden. Den bigotten Inquisitionstribunalen ihre Opfer zu entreißen, hat noch weniger Erfolg. Aber dieses Korrespondentennetz erfüllt einen höchst notwendigen Selbstzweck: Den angstfreien Austausch von Meinungen, geisteswissenschaftlichen Thesen und naturwissenschaftlichen Theorien. Und immerhin - selbst der Dreißigjährige Krieg bringt diese konspirativen Stimme(n) der Vernunft nie gänzlich zum Verstummen ...
DAS WINTERKÖNIGREICH scheint auf den ersten Blick lediglich eine sehr dicke, nach Jahren (1596-1632) chronologisch geordnete Ansammlung von Briefen und Zeitungsmeldungen zu sein. Ganz abgesehen von dem weitaus größeren Zeitraum, den dieses mit 1100 Seiten um zwei Drittel "dünnere" Werk von Walter Umminger umfaßt, hat es ein Qualitätsmerkmal, das M.Reich-Ranicki an Kempowskis ECHOLOT schmerzlich vermißte:
Es ist fiktiv. Die Briefe sind frei erfunden, und sie wurden dramaturgisch derart geschickt entwickelt und aneinandergereiht, daß für das Ganze die Genrebezeichnung "Roman" mehr als gerechtfertigt ist. Ob die Schreiben der Berühmtheiten jener Zeit wie Bacon, Comenius, Descartes, Galileo usw. allesamt historisch korrekt "erfunden" sind, müssen andere beurteilen. Sie sind jedenfalls sehr stimmig und unter Einbeziehung vieler Orginalzitate verfaßt worden. So läßt der Autor uns u.a. auch an den kosmologischen Überlegungen eines Bruno Giordano und Johannes Keplers teilhaben. Aber vor diesen Briefen braucht keiner in Ehrfurcht zu erstarren, denn Umminger ließ seine Protagonisten oft genug an Nichtexperten addressieren. Zudem vervollkommnen viele Nachrichten aus dem Alltag dieses prächtig düstere Geschichts- und Geschichtenmosaik, dessen Abbild bigott-dummdreister Machterhaltungsstrategien dem unseres Jahrhunderts zum Fürchten ähnlich ist.
1,2-Kilo Buch, die einen nicht so schnell wieder loslassen.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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