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Ende Juni wird Carl Friedrich von Weizsäcker 80 Jahre alt. Der
Herder Verlag ehrt den großen Denker mit einer Auswahl seiner Texte
in der preiswerten "SPEKTRUM"-Reihe. Unter dem Titel DIE STERNE SIND GLÜHENDE
GASKUGELN UND GOTT IST GEGENWÄRTIG versammelte der Herausgeber Thomas
Görnitz Kapitelauszüge, Aufsätze, Vorlesungen und Interviews,
die C.F.v.W's vielleicht bedeutungsvollste Seite seines erfolggekrönten
Leben als Wissenschaftler vorstellen helfen: Seine Fähigkeit zwischen
Natur- und Geisteswissenschaft und insbesondere zwischen Naturwissenschaft
und Religion zu vermitteln. Dies in einer Sprache, die zumeist auch ohne
Zuhilfenahme des Fremdwörterlexikons verständlich ist.
C.F.v.W. verglich seinen Ansatz 1975 mit dem Bild eines Gartens, der
sich beim Umhergehen erschließt, und in dem nicht ein Teil die Basis
all des anderen ist, sondern in welchem jeder Teil für sich sein gleiches
Recht, seine ihm eigene Schönheit und die ihm eigenen Gewächse
besitzt.
"In der unaussprechbaren Herrlichkeit des Sternenhimmels war irgendwie
Gott gegenwärtig. Zugleich aber wußte ich, daß die Sterne
Gaskugeln sind, aus Atomen bestehend, die den Gesetzen der Physik genügen.
Die Spannung zwischen diesen beiden Wahrheiten kann nicht unauflöslich
sein."
Diese Spannung, die dem erst 12-jährigen bereits bewußt
wurde, sollte schließlich auch das Nach-und Nebeneinander seiner
wissenschaftlichen Karrieren bestimmen.
"In etwa vier Bereichen habe ich mich nachdenkend bewegt. Physik,
Politik, Religion, klassische Philosophie. Die drei ersten kann man auch
Struktur, Geschichte, Selbstwahrnehmung nennen. Der vierte ist das platonische
Unternehmen, die Einheit dieser drei zu denken."
C.F.v.W. hat sich eingelassen, d.h. er studierte und lehrte Physik
und Philosophie, und er fand auch noch Zeit und Kraft, sich auf Begegnungen
mit Menschen völlig anderer Lebensart einzulassen. So z.B. auf Pandit
Gopi Krishna, dem er 1971 für dessen BIOLOGISCHE BASIS DER RELIGIÖSEN
ERFAHRUNG (das meint hier vor allem Krishnas Meditationserfahrungen) ein
umfassendes Vorwort geschrieben hat, worin es u.a. heißt:
"Wenn man vereinfachend sagen darf, die Geschichtsphase der Religion
sei durch die Phase der Wissenschaft abgelöst, so wird die Wissenschaft
selbst naiv in ihrem Gegensatz zur Religion stecken bleiben, solange sie
nicht zu fragen vermag, inwiefern gerade in der überwundenen Religion
Wahrheit war."
Das Nachfolgende sind Auszüge aus Büchern, die nach 1988
veröffentlicht worden sind. C.F.v.W. untersuchte in ihnen die STELLUNG
DER RELIGION IM MODERNEN DENKEN, indem er Mythos, Philosophie, Theologie
und Wissenschaft als jeweiligen Teil eines Ganzen vorstellt, er belegt
Widersprüche und Einklänge der alttestamentlichen Schöpfungsgeschichte
mit den neueren Erkenntnissen der Naturwissenschaften, um zuletzt NATURWISSENSCHAFT
UND RELIGION ALS BAUSTEINE UNSERER ZUKUNFT vorzudenken.
Für C.F.v.W. stehen die Religionen gleichberechtigt nebeneinander,
und er kann darüber bemerkenswerte Aussagen machen, gerade weil er
sich intensiv mit der Religion seiner kulturellen Herkunft, dem Christentum,
auseinandergesetzt hat. Ihm gelingen von daher auch seriöse Übertragungen,
die u.a. zu allgemeingültigen Forderungen führen, fußend
auf der Kompetenz eines Menschen, der wie selten einer weiß, wovon
er spricht:
"Vernunft ist hier gleichsam die erste Forderung einer Ethik der
technischen Welt. Leiste die Anstrengung, das Notwendige als notwendig
zu erkennen! Verdränge deine Wahrnehmungen nicht! Nimm sie bewußt
wahr und ziehe die Folgerungen aus ihnen!"
Um das Notwendige als notwendig zu erkennen, sollte dieses Buch, ein
Elexier gegen Beschränktheit und Selbstgerechtigkeit, unbedingt wahrgenommen
werden!