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Eigentlich eine schöne Idee, das halbe Jahrhundert Bundesrepublik Deutschland mit je einer Photographie pro Jahr Revue passieren zu lassen. Doch dieses vom Feuilletonchef der Süddeutschen Zeitung herausgegebene Bilderbuch hat einen Konstruktionsfehler, der einem promovierten Historiker nicht gerade zur Ehre gereicht: Unter dem Titel 'Bilder Reise Deutschland' kommt tatsächlich nur die Sicht der 'alten Bundesrepublik' zum Zuge. So kommentiert Mathias Haentjes zum Jahr 1953 selbstredend ein Photo vom 17. Juni als künftigen 'Tag der Deutschen Einheit', läßt dabei die Bauarbeiter in geschlossenen Reihen nicht nur zum 'Haus der Ministerien', sondern damit zugleich zu einem 'ehemaligen Nazibau' marschieren, berichtet vier Bilder vorher anläßlich Adenauers 'Teppich-Auftritt' aber nichts von Globke ...
Darüber hinaus findet die DDR bis 1989 nur noch zweimal indirekte Erwähnung: Beim Verbot der KPD 1956 und angelegentlich des Wolf Biermann Auftritts in Köln 1976.
Die Artikel zu den Photos sind in Zusammenarbeit mit dem WDR, das heißt von sechs in Köln lebenden Autoren und Autorinnen verfaßt worden. Was diese 'westdeutsche' Sicht angeht, stehen den fünf Beiträgen von Mathias Haentjes dann auch noch durchaus punktgenaue von Werner Biermann, Heinrich Billstein, Erika Fehse, Gabriele Jakobi und Johanna Schenkel gegenüber. Auch die Mischung der Bilder ist insofern gelungen, als sie mir als sozialisiertem 'Wessi' ein wohlig-distanziertes Déjà-vu-Wechselbad inklusive Achjadamals-Seufzern erlauben: Neben den politischen nicht zuletzt die boulevardesken zu der 'Sünderin' Hildegard Knef, dem 'Wunder von Bern' oder den 'Hitler-Tagebüchern'. Aber warum wurde hier der Horizont nicht erweitert? Die Verfassung der DDR ist ebenfalls vor 50 Jahren zu Papier gebracht worden, und eine Parallel-Korrespondenz von Schlaglichtern dieser Seite unseres jetzigen einen Volkes hätte den Reiz 'des Begleitbandes zur Fernsehserie' gewiß erhöht. Und den der Fernsehserie ebenfalls.