buechernachlese.de
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Hanns Zischler ist seit gut vierzig Jahren ein Erkunder der Stadt Berlin - zu Fuß, auf dem Fahrrad oder mit der S-Bahn.
Als Schauspieler wohl bekannt, hat er auch als Literat nicht wenige Meriten gesammelt. Er kann also schreiben ...
Sehr schön, weil geradezu zärtlich unprätentiös u.a. sein "kleines Denkmal für den großen Oskar Huth" oder die Reminiszenzen an die in Auschwitz ermordete Dichterin Gertrud Kolmar, die er beide mit ihren einstigen Wohn- und Wirkungsorten verbindet.
Und er ist ein präziser, meinungsstark kritischer Beobachter. Zuweilen aber derart präzise, dass er ins elaboriert Geschwätzige abdriftet. So nicht zuletzt bei seinen Erläuterungen zum Teufelsberg, der in sich die unvollendete und nach dem Krieg aufgefüllte Bauruine der "Wehrtechnischen Fakultät" als Teil der von Hitler geplanten "Germania"-Monumentalbauten birgt. Nichts gegen Überzeugungstäter - aber jeder Satz, nein jeder Halbsatz sucht hier überdeutliche Distanz zum "krötigen Pathos" Hitlers zu zeigen. Für die Gleichgesinnten rennt er damit x-fach durchs offene Scheunentor, während er die noch unsicheren, vielleicht schlicht durch Jugend ahnungslosen alsbald verprellt.
An einer bündigeren und damit zielführenderen Sprachregelung mangelt es auch manch anderen Texten, wenn darin immer wieder Satztürme mit gleich mehreren Fachbegriffen oder wenig gebräuchlichen Fremdwörtern hingeklotzt werden, die weniger Beschlagenheit als den Lesefluss störende und deshalb verärgernde Koketterie beweisen. Hat er doch wirklich nicht nötig!
Insgesamt also leider ein ambivalentes Lesevergnügen, das durch viele ansprechend illustrierte Erkundungen und geistreiche Abschweifungen inklusive eines von ihm vorgeschlagenen Tatlin-Turmbaus auf dem Tempelhofer Flughafengelände besticht, das aber für die Textbeiträge einen sie durchgehend tragenden und damit auch verbindenden Ton vermissen lässt.