buechernachlese.de
|
Nach dem Tod ihrer Eltern sind die Zwillingsschwestern Kathie und Ina bei Beginen in Regensburg untergekommen. Vor allem Ina ist von schneller Auffassungsgabe und vermag bald nicht nur für die Schwesternschaft zu lesen und zu schreiben. So hat sie eines Tages auch im Auftrag der "Brüder und Schwestern vom freien Geist" ein Büchlein abgeschrieben, worin es heißt, dass der Geist eines Menschen so sein kann wie der Geist von Christus und dass auch eine Frau Gott sein könnte. Und dies zu einer Zeit, als bereits der für das Jahr 1235 in Regensburg angekündigte Besuch von Kaiser Friedrich II. dunkle Schatten voraus wirft: Die Dominikaner suchen nun auch mit Billigung des vom Papst angefeindeten Kaisers nach Ketzern, die mit ihrem freien Denken die bisherige Ordnung von Kirche und Kaisertum bedrohen ...
Der neue Jugendbuchroman von Arnulf Zitelmann erzählt in "Ketzerschwestern" von Beginen in Deutschland, die als Teil einer bereits erstaunlich selbstbestimmten "Frauenbewegung" erst relativ spät diversen Machtinteressen zum Opfer fielen. Aus der Erzählperspektive Kathies zeigt Zitelmann jedoch auf, dass auch die Beginen schlichter Volksfrömmigkeit meist nicht abgeneigt waren und viele von ihnen einen Freigeist wie Ina als durchaus bedrohlich empfinden konnten. Ihre Frömmigkeit hindert Kathie aber nicht daran, stets ihrer Zwillingsschwester beistehen zu wollen. Dieses Spannungsgefüge zeichnet Zitelmann sehr glaubhaft und plausibel nach, wie sich überhaupt dieser Roman einmal mehr durch seine fundierten und breit recherchierten Kenntnisse auszeichnet. So gründen die von ihm genutzten Sätze für jenes Büchlein auf eine "Conpilatio de novo spiritu" nach Albertus Magnus, der hierin als Wegbereiter des christlichen Aristotelismus und später vom Papst ernannter Kreuzzugsprediger die tatsächlich einst existierenden "Brüder und Schwestern vom freien Geist" zitiert.
Einziger Makel dieses fesselnden und anschaulich die Zeitumstände beschreibenden Romans ist sein Ende. Auch wenn man um den Tod seinerzeit weniger Gewese als heute machte, fällt es dann doch etwas zu lapidar aus und lässt Fragen zum Schicksal einiger Handlungsträger offen. Doch davon abgesehen ist dieses Buch mit seinen uralten, zwischen "fundamentalistischer" Machtentfaltung und religionsphilosophisch freiem Denken vermittelnden Fragestellungen leider immer noch höchst aktuell und gerade für Jugendliche unserer Tage sehr zu empfehlen.
Weitere Besprechungen zu Werken von Arnulf Zitelmann siehe:
Büchernachlese-Extra: Arnulf Zitelmann