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Den Auftakt bildet der mysteriöse Mord an einer hochgeschätzten
Tänzerin. Ihrem Leichnam waren mit großer Präzision die
Füße amputiert worden. Die Polizei ist ratlos und will den Fall
mit Billigung der Obrigkeit am liebsten unter den Teppich kehren. Aber
Philipp Kreisler, seines Zeichen Kammergerichtsrat, Schriftsteller und
Komponist, läßt nicht locker. Zu sehr hat er die Tänzerin
verehrt, ja geliebt, zu sehr faszinieren ihn die Begleitumstände dieses
Verbrechens. Zusammen mit seinem Vertrauten Ludwig Freundt, einem begnadeten
wie exzentrischen Schauspieler, beschließt er auf eigene Faust zu
ermitteln. Doch bald finden sich weitere Opfer, allesamt aus dem Theatermillieu,
allesamt um ein Körperteil ärmer.
UNDINES TOD spielt im akribisch erkundeten Straßenbild Berlins
von 1817 und packt einen von der ersten bis zur letzten Seite. Henning
Boëtius hat hier sein Faible fürs Historische und Kriminalistische
auf das Beste zu bündeln gewußt. Personen der Zeitgeschichte
wie Schinkel, Hufeland oder Brentano werden nicht auf ein 'name dropping'
reduziert, sondern nehmen in dieser Fiktion durchaus glaubwürdige
Rollen ein. Aber auch bei den preußischen Würdenträgern
und der Berliner Unterwelt geht Boëtius weit über das Skizzieren
von Karikaturen hinaus. Dazu verhilft ihm nicht zuletzt die geistreiche
Sicht und Widerspenstigkeit seiner beiden Helden. Sie stellen mit ihren
intuitiven Gedankensprüngen solche Schablonen wie Sherlock Holmes
& Co. weit in den Schatten.
Die übergeordneten Fragen jener Zeit, die sich längst nicht
nur in den Antworten von "Mechanikussen und Magnetiseuren" widerspiegeln,
sind geschickt in den fesselnden Plot eingebaut und bewegen auch heute
noch die Gemüter. Und das in einer zuweilen poetischen, zuweilen lakonischen
Sprachführung, in der das Biedermeier mitschwingt, ohne sich davon
überrumpeln zu lassen. Ein spannender Krimi, ein schönes Stück
Literatur und eine hinreißende Sage zum Bau des Schauspielhauses
in Berlin.
Weitere Besprechungen zu Werken von Henning Boëtius siehe:
Henning Boëtius: Der Walmann (1996)
Henning Boëtius: Undines Tod (1997)