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Büchernachlese-Extra: Die besten Bestseller-Kriminalautoren

Ken Follett

Die Tore der Welt

Roman. Aus dem Englischen von Rainer Schumacher und Dietmar Schmidt. Illustrationen: Jan Balaz. Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2008. 1295 Seiten. 24,95 Euro. ISBN: 978-3-7857-2316-6, >>> Amazon
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Kingsbridge zählt im Jahr 1327 gut 7000 Einwohner und wird noch immer von der Priorei und ihrer Kathedrale beherrscht. Einen Tag nach Allerheiligen wollen sich zwei Nachfahren des Kathedralenerbauers Jack Builder im Bogenschießen üben. Merthin hat den Bogen selber gebaut und ist mit seinen elf Jahren zwar der ältere, aber sein ein Jahr jüngerer Bruder Ralph der weitaus kräftigere und im Kämpfen gewandtere. Als Zuschauerinnen dieses Wettstreits kommen noch die zehnjährige Caris, Tochter eines reichen Wollhändlers, und die achtjährige Gwenda, Tochter eines diebischen Tagelöhners, hinzu. Kaum haben sich die Brüder einmal an dem Bogen versucht, werden sie Zeugen eines Kampfes, der zwei Männern das Leben kostet und den Überlebenden zum Mönch in der Priorei werden lässt. Während die anderen Kinder Hals über Kopf das Weite suchen, gräbt Merthin für den am Schwertarm verletzten Thomas Langley ein kleines Loch. Darin soll ein Brief verwahrt werden, von dessen Existenz Merthin erst nach Langleys Tod etwas verlauten lassen darf. Ein Versprechen, das Merthin getreulich einhält - mit weitreichenden Folgen für das englische Königreich und auch Kingsbridge selbst ...
"Die Tore der Welt" kann nur insofern als Fortsetzung von "Die Säulen der Erde" angesehen werden, als der Autor beider Romane erneut den Handlungsort nutzt und einige Motive des Vorgängerromans variiert. Dessen Kenntnis ist also keineswegs Voraussetzung für die Lektüre des neuen Romans. Dass Ken Follett ihn dennoch als "lang ersehnte Fortsetzung" bewerben lässt, weckt nach 17 Jahren eine Erwartungshaltung, deren etwaige Enttäuschung dann aber weniger mit einer geringeren Qualität als eben dem Zeitfaktor zu tun hätte. Ken Folletts Charaktere sind in beiden Romanen mit kaum mehr als einem rechtschaffenen Zwei-rechts-zwei-links gestrickt. Damit vermag er durchaus zu unterhalten - nicht zuletzt wegen seiner fundiert recherchierten und so geschickt wie plausibel eingebrachten Kenntnisse über Gepflogenheiten und Leben nun auch für die Jahre 1327 bis 1361.
Er führt hier in sieben umfänglichen Kapiteln die Mechanismen und das Intrigantenreichtum feudaler wie klerikaler Strukturen im ausgehenden Mittelalter des 14. Jahrhunderts eingängig vor Augen, auch wenn sich die Entwicklung seiner Handlungsträger auf das Durchbuchstabieren eines einmal gewählten Vorzeichens beschränkt und sich dieses Vorzeichen auch ihren Nachkommen mit nur geringen Abweichungen "vererbt". Der Fokus richtet sich vor allem auf die wechselhafte Liebesgeschichte von Merthin und Caris. Er wird zum findigen Erbauer von Großbauten, der sich für Kingsbridge eine neue Brücke und den höchsten Kirchturm Englands zum Ziel gesetzt hat. Caris hingegen entscheidet sich lange Zeit gegen das Zusammenleben mit ihrem geliebten Merthin, um stattdessen ihrer Weiterbildung zur über Kingsbridge hinaus geschätzten Heilerin und Hospitalgründerin nachzugehen. Aber sosehr Caris mit ihren Autonomiebestrebungen einer ferneren Zukunft zu entstammen scheint, bleibt auch sie ohne Brechung in dieser Rolle gefangen. Merthin und Caris kämpfen einzeln und gemeinsam gegen die von Anfang an gesetzten Gegenpole in Gestalt der Priore, die Eitelkeit und Eigennutz vor Allgemeinnutz stellen. Einen weiteren Gegenpol bildet der gewalttätige Ralph, der es am Ende trotz eines Todesurteils wegen Vergewaltigung zum Grafen bringen wird - sein wehrhaftes Gegenüber ist die so bodenständige wie kämpferische Bäuerin Gwenda, die ihm in all den Jahren immer wieder Paroli bietet. Dazu noch einige weitere Nebenfiguren, die wie bei einem Schachspiel auf Seiten ihrer Könige und Königinnen hin und her geschoben werden und mit ihnen gemeinsam altern - sofern sie nicht vorher das Zeitliche segnen.
Das Spannende sind also weniger die bis zum Ende hin "vertraut" bleibenden Charaktere als ihre Bewegungen, die Follett in der Tat sehr virtuos in Szene zu setzen vermag. Neben Unfällen, Kriegszügen und der Pest sorgt in jenen Zeiten auch die Herrscherwillkür für so manche "überraschende" Wendung, die als Schicksalsschlag dann eine entsprechende Antwort der Betroffenen abverlangt. Und wer z.B. noch nicht wusste, wovon sich der Begriff "Quarantäne" ableitet, kann das auf sehr einleuchtende Weise zusammen mit Caris erlernen.
Das alles ist, abgesehen von dem reichhaltigen Zeitkolorit, nicht sonderlich erhebend und den Geist herausfordernd, bietet aber als sauber durchdeklinierte Genreliteratur viele unterhaltsame Schmökerstunden auf durchaus statthaftem Niveau.

Weitere Besprechungen zu Werken von Ken Follett siehe:
Ken Follett: Der dritte Zwilling (1997)
Ken Follett: Die Kinder von Eden (1999)
Ken Follett: Die Leopardin (2002)
Ken Follett: Die Tore der Welt (2008)

Buechernachlese © Ulrich Karger


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