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Stephan Füssel

Schiller und seine Verleger

Insel Verlag, Frankfurt a.M. + Leipzig 2005. 354 Seiten. 26,90 Euro. ISBN: 3-458-17243-2, >>> Amazon
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Mit seinen Texten Weltgeltung erlangen, gar zum "Klassiker" zu werden, ist das Eine, sehr eng verbunden damit ist aber auch eine weit prosaischere Seite, nämlich das Leben von und mit einer Kunst, was sich dann meist auf eine bedrückende Überlebenskunst reduziert.
Friedrich Schiller (1759 - 1805) ist hier insofern auch ein Sonderfall, als sich an ihm die Anfänge der beginnenden Professionalisierung des Verlags- und Vertriebswesens genauso ablesen lassen wie Fragen des Urheberrechts und der (noch nicht vorhandene) Schutz gegen unautorisierte bzw. nicht honorierte Nachdrucke.
Stephan Füssel legt nach Gutenberg und seine Wirkung nun passgenau eine äußerst instruktive Abhandlung über "Schiller und seine Verlage" vor. Er hält hierin sehr gut ausbalanciert die Waage zwischen quellentreu akribischer Genauigkeit im Detail und der Zuordnung seiner Erkenntnisse und Zitate in die Lebens- und Werklinien Friedrich Schillers. So wird diese Abhandlung zugleich zu einer Biographie Schillers, eingebettet in die Kurzbiographien seiner und anderer in dieser Zeit bestimmender Verleger, die wiederum in den Kontext eines Flickenteppichs deutscher Fürstentümer gesetzt sind, der sich gerade in Fragen des Verlagswesens nicht unter ein übergeordnetes Gesetz stellen lassen wollte.
Friedrich Schiller wirkt hierbei auf den ersten Blick wie ein Kind unserer Zeit - zuerst ist da ein klar definierter Lebensstandard, dem sich vorhandene und nicht vorhandene Honorierungen anzupassen haben. Sein ganzes Leben lang ein Schuldner der verschiedensten Menschen in verschiedenen Städten, erstaunt vor allem, dass er immer wieder auf Vertrauen und Unterstützung stieß, wo andere längst im Schuldturm gelandet wären. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass die Verleger Schillers, die ihrem Autor zumeist bereitwillig Vorschuss gaben, neben den allgemeinen Risiken des Nachdrucks auch mit Schillers nicht nur am Ende krankheitsbedingter Unzuverlässigkeit im Zuschicken verabredeter Manuskripte zurechtkommen mussten. Doch Schiller war nie nachlässig in dem Sinne, dass er seine Schulden ausgesessen oder gar vergessen hätte, sondern stets bemüht, seine Vorstellungen von möglichen Gewinnen aus einem neuen Projekt auch im Verlegersinne zu errechnen - und lag damit nur selten daneben. Lediglich was die Hoffnungen auf seinen "Output" an druckfähigen Stücken anging, war er oft zu optimistisch.
Andererseits war der Buchhandel noch in den Anfängen, die ersten Buchmessen versammelten lediglich 1000 Buchtitel und eine Expandierung auf das Doppelte meinte immer noch erst 2000 Buchtitel - eine für heutige Verhältnisse lachhafte Zahl. Zugleich "expandierte" in jener Zeit auch die Zahl der Leser bzw. Nicht-mehr-Analphabeten in hohen Zuwachsraten - hier war also für Verleger durchaus absehbar ein gutes Geschäft auszurechnen.
Während Schillers "Finanz - und Arbeitsplanungen" sogar über seinen Tod hinaus als Kalendereinträge vorliegen, sind leider die Umsätze und Gewinne seiner Verleger nicht in ähnlicher Weise dokumentiert - aber nur so wäre genau abzuschätzen, ob und inwieweit Schiller Verleger, Mäzene und Freunde mit seinen ständigen Forderungen über Gebühr strapaziert hat. Zu vermuten bleibt jedoch, dass die Verleger schon sehr gut wussten, welch "goldenes Huhn" sie mit Schiller für ihr Nest gewinnen und halten wollten. Insbesondere Cotta wusste das offenbar schon sehr bald.
Von der heutigen Wertschätzung sowieso aber auch von der damaligen Wertschätzung seiner Werke aus gesehen, musste Schiller ein vergleichsweise eingeschränktes Leben fristen, konnte nie Rücklagen bilden und entspannt seinen eigentlichen Interessen frönen. So suchte er stets nebenbei nach Redakteursaufgaben, eigenen Vertriebswegen für seine Bücher und versuchte sich sogar eine Zeitlang als Historiker. Kein Vergleich mit Goethe, der von Haus aus vermögend und schon zu Lebzeiten mit mehr Fortune gesegnet war. Erst Schillers letzte fünf Lebensjahre eröffneten ihm saturiert gesicherte Perspektiven, seine Witwe und die anderen Erben haben dann immerhin aus dem Werk ein vielfaches Mehr an Gewinn erzielt als Schiller zu seinen Lebzeiten.
Aber neben den merkantilen Gesichtspunkten verweist Füssel auch noch auf viele andere interessante Themenfelder, z.B. die Fragen von Orthographie und dem damit einhergehenden Lektorat, das insbesondere auf "Vereinheitlichung" in Satz- und Zeichensetzung zu achten hatte. Weder Schiller noch Goethe haben das als ihre Aufgabe angesehen. Ein anderes Feld ist die Typographie, die mit Bodoni und den Lizenzen seiner wohlproportionierten und zeilengenauen Schrifttypen an deutsche Verleger auch neueingerichtete "Prachtbände" der Werke Schillers erlaubten.
Wer etwas über Schiller und die Anfänge des Verlagswesens erfahren will, ohne von vorneherein mit Interpretationen überfahren zu werden, hat mit diesem in 13 Kapiteln gebündelten, den zahlreichen, z.T. farbigen Abbildungen und dem mit einem umfangreichen Anhang ausgestatteten "Füssel" ein fesselndes Lektüreerlebnis, das wie von selbst mit den heutigen Gepflogenheiten von Autoren und Verlegern korrespondiert.

Weitere Besprechungen zu Werken von Stephan Füssel siehe:
Stephan Füssel: Gutenberg und seine Wirkung (1999)
Stephan Füssel: Schiller und seine Verleger (2005)

Buechernachlese © Ulrich Karger


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