buechernachlese.de
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Küng und zuletzt Drewermann waren bis zu ihrem Rausschmiß
konstruktiv um neue Wege innerhalb der katholischen Kirche bemüht.
Destruktive Kritiker wollen diese Kirche weder reformiert noch sonstwie
weiterhin dulden. K. Deschner z.B. ist derart vom Katholizismus traumatisiert,
daß er sogar das Christentum per se als Ursache allen kirchengeschichtlichen
Übels ansieht. Einen telegenen Verbündeten scheint Deschner nun
schon seit längerem in Horst Herrmann gefunden zu haben, der dieses
Jahr mit "KIRCHENFÜRSTEN - Zwischen Hirtenwort und Schäferstündchen"
den Buchmarkt bedient.
Zwei Glanzlichter sind hierin auszumachen. Ab Seite 122, wenn H.H.
die Doppelmoral katholischer Würdenträger zwischen fünftem
Gebot und blanker Kriegsverherrlichung mit spitzer Feder glossiert und
ab Seite 262, wenn er dem nicht vorhandenen Demokratieverständnis
katholischer Kirchenfürsten dasselbe angedeihen läßt. Das
leuchtet inklusive vereinzelter anderer Absätze auf etwa 15 Seiten.
Ansonsten durchzieht das ganze Werk ein faseliger Unterton der Rechthaberei,
der nun endlich etwas scheinbar ganz Eindeutiges mit vielfachem Kehrreim
zu besingen hat, nach dem Motto: Schlagt die (katholischen) Kirchenfürsten
in die Flucht und alles Elend hat ein Ende! Martin Luther King sagte einmal
sinngemäß, daß die Mittel, um Gerechtigkeit oder eine
Bedrohung abzuwenden, schon das Ziel widerspiegeln müssen. H.H. setzt
aber ausschließlich auf die skandalöse Sensationsbeschau. Reichen
ihm die aktuellen Beispiele, die doch wahrhaftig vertiefenswürdig
genug sind, zur Findung des Superlativs nicht aus, hüpft er flugs
ein-, zwei Jahrhunderte zurück, und wenn das nicht reicht, anderthalb
Jahrtausende. Für diesen Effekt läßt er auch Wesentliches
offen: Das beginnt beim Titel, dem das Attribut "katholisch" nicht
schlecht angestanden hätte, da H.H. nur über jene Kirchenfürsten
etwas auszusagen weiß - aber so allumfassend paßt das eben
besser in die derzeitige Talkshowbesetzungslandschaft mit ihren kurzen
Rede-und Bedenkzeiten. Und für den Effekt muß dann auch schon
einmal das Zitat von Deschner her, nach dem das Christentum seit 17 Jahrhunderten
das "Blatterngift der Menschheit" gewesen sei. Deschner versuchte
dazu immerhin auf tausenden von Seiten den Nachweis zu erbringen, H.H.
setzt das "mal eben so" und ohne Relevanz für die bisher gemachten
Aussagen ein. Er mißt, im Gegensatz zu Deschner, das Handeln der
Kirchenfürsten ja durchaus und zurecht an der Botschaft Jesu, eine
klare Stellungnahme zu Jesus gibt er aber nicht ab. Dabei muß er
doch zumindest als ehemaliger Priester ein Verhältnis zu dessen Botschaft
gehabt haben. Nennt H.H. Zahlen, stehen sie in keinem nachvollziehbaren
Verhältnis und wurden von ihm willkürlich zusammengezogen. Damit
führt er seine zweifelsohne berechtigte Kritik ad absurdum und erweckt
einmal mehr den Ruch des Unseriösen.
"Solche Fakten erregen keinen wahren Laien. Gläubige sind so
erzogen, daß sie alles decken, was Bischöfe tun oder lassen.
Kein Schaf wendet sich gegen den Hirten."
Dieses in Abwandlung mehrfach wiederholte Zitat wirft zudem die Frage
auf, an wen der Autor seine Botschaft denn eigentlich adressiert hat. An
die dummen Schafe? Die wollen doch keine Veränderung und werden H.H.
nichts abkaufen. Außerdem: Wie ist denn eigentlich H.H. die Überwindung
seiner diesbezüglichen Dummheit gelungen? Keine Rede davon in seinem
Buch! Die anderen aber wissen längst, was H.H. aus anderen Büchern
zitiert und hier nun unter einem neuen Oberbegriff vorgelegt hat. Wer akribisch
genau die Verfehlungen der Kirchenfürsten über die Jahrhunderte
hinweg studieren wollte, hat es vermutlich schon bei Deschner getan, der
von 999 unkommentierten Quellenhinweisen auf 404 Textseiten 152 mal genannt
wird. Das ist auch insofern kein Wunder, als beide, Herrmann und Deschner,
literarisch in einem gemeinsam verwirklichten ANTIKATECHISMUS vereinigt
sind. Wer die Bücher von H.H. gelesen hat, wird in diesem vermutlich
ebenfalls nichts Neues erfahren: Bescheiden wie er offenbar ist, hat er
sich lediglich 92 mal zitiert und dabei kaum eine seiner letzten Veröffentlichungen
ausgelassen. Herrmann entspricht im Grunde selbst seiner Definition
eines Kirchenfürsten: Arrogant und rechthaberisch will er lediglich
seinen schlüpfrig-wuchernden Stoff ausschütten, anstatt sich
mit diesem als einer Grundlage auf ein Thema und die Menschen einzulassen.
Das ginge aber nur mit der Fähigkeit zum Selbstzweifel und würde
außerdem nicht so gut honoriert. Sein Buch jedenfalls ist so wichtig
wie ein Kropf.
Weitere Besprechungen zu Werken von Horst Herrmann siehe:
Horst Herrmann: Kirchenfürsten (1992)
Horst Herrmann: Hrsg. der Reihe "Was ich denke" (1995)