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Libby Gallagher, mit 14 Jahren das drittälteste von fünf Geschwistern, würde den Feriensommer am liebsten mit ihrer Freundin Sage verbringen - in ihrem Waldversteck lauwarmes Bier trinken, dabei miteinander reden und Menthol-Zigaretten rauchen. Doch dann geschieht etwas, das alles verändert. Während einer Autofahrt liegen sich Libby und ihre Geschwister derart in den Haaren, dass eine Bemerkung der jüngeren Ellen das Fass überlaufen lässt und die Mutter sie acht Kilometer von zu Hause entfernt aussteigen lässt. Trotz Protest der anderen Kinder und obwohl die Sonne bereits am Untergehen ist, fährt die Mutter ohne die 12-jährige weiter …
Mit "Licht zwischen den Bäumen" hat Una Mannion einen starken Debütroman vorgelegt, dem Tanja Handels in ihrer Übersetzung so eingängig-flüssig wie anschaulich Ausdruck zu verleihen wusste.
"An dem Abend, als wir Ellen am Straßenrand zurückließen, fuhren wir die 252 in nördlicher Richtung entlang, …" - bereits die ersten Halbsätze des Romananfangs geben ohne Umschweife das Thema vor und ziehen die Leser in eine Geschichte hinein, die bis zum Ende hin spannungsgeladen bleibt.
Erzählt wird sie aus der Ich-Perspektive von Libby Gallagher. Ihre Familie lebt etwa 35 km von Philadelphia entfernt, unweit von jenem Flecken, der unter dem Namen Valley Forge im Winter 1777/78 George Washington und seiner Armee während des Unabhängigkeitskriegs als Lager diente.
Die Handlung lässt sich zeitlich anhand einiger genannter Musiktitel und zuletzt mit dem direkten Verweis auf die Hochzeit von Lady Di ganz präzise auf das Jahr 1981 verorten.
Da über die Autorin nachzulesen ist, dass sie als sechstes von acht Kindern in Philadelphia aufgewachsen ist, ist es vermutlich nicht allzu waghalsig, in ihrer Geschichte eine Autofiktion zu mutmaßen, d.h. das in ihr auch real Autobiografisches mit Fiktion kombiniert wurde. Mag durchaus sein, dass das später mal für Literaturwissenschaftler von Interesse sein wird, dem einen wie dem anderen nachzuspüren. Denn Mannion hat es mit traumwandlerischer Sicherheit verstanden, einen Coming-of-Age- bzw. Entwicklungsroman auf der Grundlage eines überzeugenden Familienportraits zu entfalten, das den Bogen bis nach Irland und die Jugend ihres Vaters zu spannen weiß. Zugleich ist das einleitende Zurücklassen von Ellen der Auslöser eines "Thrills", der die Spannung mit literarisch überzeugenden Mitteln hochhält, dabei zugleich die Würde aller Handlungsträger inklusive der Mutter bewahrt und für das Hochhalten von Loyalität zuweilen keineswegs einfach geradlinige Lösungen finden muss.
Wer bereits mit dem ersten Roman so gut zu unterhalten vermag, macht neugierig auf den nächsten, der hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt …
Weitere Besprechungen zu Werken von Una Mannion siehe:
Una Mannion: Licht zwischen den Bäumen (2021)
Una Mannion: Sag mir, was ich bin (2024)