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"Ich bin ein Spion, ein Schläfer, ein Maulwurf, ein Mann mit zwei Gesichtern. Da ist es vielleicht kein Wunder, dass ich auch ein Mann mit zwei Seelen bin."
So beginnt der mehrfach, u.a. mit dem Pulitzerpreis und Edgar Award, ausgezeichnete Roman "Der Sympathisant" von Viet Thanh Nguyen.
Im April 1975, wenige Tage vor Ende des Vietnamkriegs, wird unter ständigem Beschuss der Militärtransportflieger u.a. eine Gruppe südvietnamesischer Offiziere aus Saigon in die USA evakuiert. Unter ihnen ein Spion des kommunistischen Nordvietnams, getarnt als bereits langjähriger Adjutant eines südvietnamesischen Generals. Aus dessen Ich-Perspektive wird erzählt, wie er in Los Angeles weiterhin ein Auge auf die politischen Gegner haben und seine verschlüsselten Berichte an eine Kontaktfrau in Paris schicken soll.
Der Spion bringt für diesen Auftrag gute Voraussetzungen mit: Er hat bereits vor seinem Einsatz in Südvietnam in den USA ein Studium abgeschlossen, zudem ist er als Sohn eines Amerikaners und einer Vietnamesin zwar überall rassistischen Bemerkungen ausgesetzt, kann sich aber da wie dort unauffällig seiner Umgebung anpassen. Doch am Ende wird der "Sympathisant" zu einem Geständnis gezwungen, das nicht zuletzt zur Sinnfrage seiner bisherigen Existenz führt …
In seinen Rückblicken reicht die Chronologie des Romans bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, sein Ende verweist auf die weltberühmt gewordenen ersten "Boatpeople", die bereits kurz nach Ende des Krieges aus Vietnam geflohen sind.
Die fulminant aufgebauten Handlungsstränge führen die Absurditäten mehr oder weniger konsequent durchdeklinierter Ideologien samt ihren jeweiligen Spionageorganisationen vor. "Der Sympathisant" ist nicht minder pikaresk als "Die Blechtrommel" von Günter Grass, wiewohl dieser Held nicht "nur" kindlich bauernschlau ist, sondern es gerade wegen seiner Bildung schwer hat, zwischen den vielfältigen Fronten zu überleben. So führt Ngyuens Roman in der brillant eingängigen Übersetzung von Wolfgang Müller ein Zeitbild der 1950er bis Ende der 1970er Jahre vor Augen, in dem neben Spannungsreichtum und satirisch anmutenden Volten eines Polit-Thrillers auch sehr pointiert und mit viel schwarzem Humor Hintergründe und Auswirkungen von Kapitalismus und Kommunismus reflektiert werden. Und die damit verbundenen Verluste wegen Flucht und Vertreibung blieben stets aktuell, sind leider aktueller denn je.
Dieses Buch bietet Alles, was ein höchst unterhaltsames Leseabenteuer ausmachen kann und einen zugleich über den Tellerrand schauen lässt.
Ein Klassiker von morgen, den man gelesen haben muss!