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Zwei Jahre lang begibt sich ein Ich-Erzähler zu Herrn Dr. Leumull,
nur um diesen dann als windigen Stichwortgeber für seine nachträglich
angefertigten "Dossiers" zu verschleißen. In denen sondert
er dann seine apokryphen (hier: nebensächlichen) Erkenntnisse und
Erdichtungen über die Person und die (Vor-)Zeiten des Martin Luther
unter dem Vorsatz ab: "Bei allem, was selbst mir heilig sein könnte:
ich schwöre, konfessionell vogelfrei & Kathole schon gar nicht
zu sein! Sympathisant allerdings aller erdenklichen Spielarten von Dekadenz!
(..) Schurkenfreund! Ganovenverehrer!"
Es geht seinen Gang: Luther hatte "nur" die Gunst der Stunde
genutzt, Luther hatte Verdauungsschwierigkeiten, Luther hat der Fleischeslust
angehangen und natürlich auch an einem Vaterkomplex gelitten, und
bis man dies erfährt, muß man sich das historische Umfeld erklären
lassen, das ebenfalls in der Hauptsache Verdauungsschwierigkeiten hatte,
der Fleischeslust angehangen und auch noch ab und zu Mißliebige dahingemeuchelt
hat. Der Titel "KLIO, EIN WIRBEL UM L." spiegelt das relevante Quantum
der Auseinandersetzung um Luther schlechterdings korrekt wider. Dabei hätte
dieses punktgenau am 450. Todestage Luthers auf den Markt geworfene Werk
durchaus von größerem Interesse sein können. Dem Autoren
gelangen neben lauer Blödelakrobatik passagenweise herrlich aberwitzige
Assoziationen, Satzkonstruktionen und Wortverschleifungen, die dem Querbürsten
nicht im Wege stehen und gerade deswegen ein Genuß sind. Leider hat
sich der Autor mit der Satire selbst verwechselt: Die darf bekanntlich
alles, selbst auf Tote einschlagen. Ein Autor aber sollte sein Fabulieren
nicht vom Einfachen ins Vierfache samt einem 200-Seiten-Anhang voller sogenannter
Annotate aufblähen, sonst langweilt er nur.
Weitere Besprechungen zu Werken von Detlef Opitz siehe:
Detlef Opitz: Klio, ein Wirbel um L. (1996)
Detlef Opitz: Der Büchermörder (2005)