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Im Gefolge des 275. Geburtstages von Christoph Martin Wieland ist nicht nur die exzellente Neuausgabe seines Agathodämon erschienen, sondern u.a. auch eine dem großen Dichter und Denker der Aufklärung gewidmete Novelle von Hans-Jürgen Perrey.
In "Die große Wut des Christoph Martin Wieland" geht es um ein eigentlich banales Ereignis im Sommer des Jahres 1779.
Wieland ist bei einem nur unwillig vollzogenen Spaziergang ein edler Spazierstock abhanden gekommen. Die Suche danach, die in Verdächtigungen und einer am Ende gerade noch abgewendeten Klage mündet, steckt alsbald den Rahmen, um ein sehr glaubwürdiges und offenbar sehr gut recherchiertes Sittengemälde vom Weimar jener Zeit zu zeichnen. Ins Zentrum dieses Gemäldes stellt Perrey die tragikomische Charakterstudie des seinerzeit 45-jährigen Wielands, der sehr unter dem Auftreten des weit jüngeren, doch bereits übergroßen Goethes leidet. Nicht zuletzt auch, weil Goethe ihm die zuvor gewährte Gunst der Herzogin a.D. Anna Amalia streitig macht. Doch zum Glück kann sich der ängstliche wie hypochondrische Wieland jener Tage auf seine geliebte Frau und gar nicht so wenige treue Freunde verlassen.
Abgesehen von einigen etwas unverhofften Perspektivenwechseln hat Perrey für seine Novelle eine der Zeit angemessene Sprachregelung gefunden, die er unangestrengt bis zum Ende durchzuhalten vermag, ohne dabei je ins "Tümeln" zu geraten. Beides zusammen, geschickt verwebter Kenntnisreichtum und die Sprachfertigkeit Perreys, machen aus dieser Novelle ein echtes Lesevergnügen, das eine unterhaltsame Momentaufnahme von Wieland und Weimar zum Glänzen bringt.