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Ruth Rendell hat einen neuen "Dreh" gefunden, uns die Frage nach Tätern
und Opfer unter die Haut fahren zu lassen.
Als ihre Mutter Liza eröffnet, sie müsse ihr Zuhause verlassen,
ist Liza zutiefst verunsichert. Obwohl bereits 17 Jahre alt, hat Liza noch
nie einen öffentlichen Bus oder einen Zug benutzt. Sie kennt die Welt
weder aus den Zeitungen noch aus dem Fernsehen, und nach den Erzählungen
ihrer Mutter ist diese Welt fern von dem einsamen Landsitz eine teuflische
Bedrohung. Doch nun muß Liza gehen. Ihre Mutter wurde als Mörderin
überführt ...
In hundert und ein Tagen läßt Ruth Rendell
Liza ihre Lebensgeschichte erzählen. Die Opferschaft des Täterangehörigen
ist so wohl noch in keinem Kriminalroman derart brillant in Szene gesetzt
worden. Denn auch Ruth Rendell ist nicht die Erfüllungsgehilfin von
einfachen Erwartungshaltungen, und nicht von ungefähr sind die "Helden"
dieses Romanes Frauen. So steht zwar der ruhige, zuweilen sogar beschauliche
Erzählstil in grellem Widerspruch zu dem Erzählten, aber das,
was allen liebenden Eltern die Haare zu Berge stehen läßt, ist
nur die halbe Wahrheit:
Liza wurde von ihrer Mutter z.B. sehr ausführlich
in Literatur unterrichtet, und dieser Unterricht fiel auf einen nicht durch
Reize überfluteten Geist. Auch wenn Liza ahnt, daß ihre Mutter
sie nicht geliebt hat, findet sie am Ende eine bessere Lösung als
Schehezerade und hat für die Morde ihre Mutter volles Verständnis.
Weitere Besprechungen zu Werken von Ruth Rendell siehe:
Ruth Rendell: Der Krokodilwächter (1994)
Ruth Rendell: Der Duft des Bösen (2006)