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Ein Stalljunge hat sie als erster erblickt: "Sie kamen um die Biegung
hinter der kleinen Quelle, aus der niemand trinkt, drei Frauen, dicht hintereinander
reitend. Eine schwarz, eine braun (..), eine so bleich, daß es keinen
Sinn ergäbe, sie 'weiß' zu nennen. Lilien, Leichen, Geister
- wenn diese weiß sind, dann muß es für die Haut dieser
Frau ein anderes Wort geben."
Die "Schwarze" trägt einen
Rosenholzstock, in dem ein Degen verborgen ist, die "Braune" führt
einen Fuchs am Silberband, und die "Weiße" hat einen schrecklichen
Traum, der den Anfang des neuen Romanes von Peter S. Beagle setzt. "ES
KAMEN DREI DAMEN IM ABENDROT" variiert das Thema vom Zauberlehrling, der
unbedacht die Mächte der Vernichtung entfesselt und um ein Haar das
Ende der Welt herbeiführt. Aber Achtung: Der Autor, der einst "Das
letzte Einhorn" verfaßt hatte, lieferte nicht den üblichen Fantasy-Stoff
inklusive Zeigefingermoral und einer klaren Aufteilung seiner Protagonisten
in "gut" und "böse". Wenn schon, dann sind seine Figuren
allesamt sehr "eigenartig", um nicht zu sagen kauzig und verschroben.
Der gelungenste Kunstgriff ist jedoch, die Geschichte zwar fortlaufend,
aber jeweils im Wechsel aus der Sicht von Haupt- und auch Nebenpersonen
zu erzählen. Es wechseln dann auch jeweils die Tonlage und die gedanklichen
Antriebe, ein Ereignis so und nicht anders zu sehen. Das phantastisch Unwirkliche
gerät ins Traumhaftmögliche. So bringt Beagle es auch fertig,
dem wandlungsfähigen Fuchs eine Stimme zu geben, die unter die Haut
geht. Zartbesaitete Märchenliebhaber werden mit der bärbeißigen
Ironie, die allenfalls die Geschichte ernstnimmt, nichts anzufangen wissen
- alle anderen aber werden diese Geschichte gerade deshalb lieben.
Weitere Besprechungen zu Werken von Peter S. Beagle siehe:
Peter S. Beagle: Das Volk der Lüfte (1988)
Peter S. Beagle: Es kamen drei Damen im Abendrot (1995)
Peter S. Beagle: Das Zauberhaus (2004)