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DIE STEUERFANDERIN Maria Takis war früher stolz auf ihren Beruf
gewesen. Dank der Ermittlungen ihrer Behörde konnten die Steuerbetrüger
der Upperclass zur Kasse gebeten und mit diesen Geldern soziale Leistungen
wie Kindergärten und Krankenvorsorge finanziert werden. Aber das hatte
sich geändert, und jetzt mußte sie wieder "kleine Fische"
überprüfen, deren Ruin niemandem etwas nutzte. Die Autowerkstatt
Catchprice am Rande Sydneys entpuppt sich jedoch bei der Überprüfung
nicht nur als marodes Familienunternehmen, sondern auch als ein Sumpf familiärer
Beziehungen, in dem zuletzt auch die griechischstämmige Maria Takis
unterzugehen droht.
Peter Carey beleuchtet mit seinem dritten in Deutschland veröffentlichten
Roman das "weiße" Australien, in dessen Schmelztiegel die Begegnungen
zwischen den immer neuen Einwanderern und den Nachfolgegenerationen der
Häftlinge und ihren Bewachern aus den früheren Jahrhunderten
z.T. explosive Wirkung zeigen. Die Catchprices, heimlich angeführt
von der 84-jährigen Oma, die stets eine Stange Dynamit in der Handtasche
bei sich trägt, sind Versager, d.h. sie sind geradezu zwanghaft damit
beschäftigt, sich selbst und ihren Nächsten daran zu hindern,
das zu werden, was in ihnen hätte stecken können. Carey führt
seine Protagonisten gleichwertig vor, zeigt ihre liebenswerten und ihre
erschreckenden Seiten auf und erzeugt so ein Wechselbad der Gefühle.
Fesselnd wie Stephen King, ohne je den Boden möglicher Realitäten
zu verlassen, entlarvt er vordergründig fröhliche Anarchie als
perverses Spiegelbild inzestuöser Verkettungen.
Die schaurige Unterhaltsamkeit dieses vielschichtigen Romanes wirft
den Leser auf sich selbst zurück. Die Deutschen könnten sich
dann einmal mehr fragen: Was wäre, wenn in den letzten hundert Jahren
unser "deutsches Blut" nicht durch das der vielen Zuwanderer aufgefrischt
worden wäre?
Weitere Besprechungen zu Werken von Peter Carey siehe:
Peter Carey: Illywhacker (1990)
Peter Carey: Die Steuerfahnderin (1993)