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1955 wird Felix Gidden von einem Bekannten in einen Düsseldorfer Friseurladen gelotst. Nachdem er dort erst einmal im wahrsten Sinne des Wortes eingeseift und fürchterlich verprügelt wurde, wird ihm eine Frist gesetzt, endlich die Spielschulden seiner Frau zu begleichen - ansonsten würde er sein Leben verlieren. Doch Felix Gidden ist gar nicht verheiratet, geschweige denn, dass auch nur er selbst mit seinen Mitte 20 bislang je den Weg in die Türkei und dort in ein Spielkasino gefunden hätte. In seiner Not sucht er den einzigen Namensvetter in Düsseldorf auf, den Industriellen Johannes Gidden, der sich schließlich auch als der eigentliche Adressat dieser Anwürfe erweist - und erhält von ihm den gut bezahlten Auftrag, die Spielschulden in Istanbul zu begleichen und nach der vermissten Ehefrau zu suchen. Für Felix Gidden der Anfang einer jahrzehntelangen Karriere in der Kunst des spielerischen Betrugs ...
"Das perfekte Spiel" von Herbert Genzmer ist eine Kriminalgeschichte, ohne Polizei, ohne Strafe und ohne Reue - und damit nicht zuletzt ein Schelmenroman, dessen Tradition bis zu Grimmelshausens "Simplicissimus" reicht. Doch Genzmers Held Felix Gidden schliddert nicht naiv in seine Geschichte hinein, sondern steht den "Gimpeln" bzw. seinen nur allzu willfährigen Opfern mit einer geradezu bemitleidenswerten Gefühlsarmut gegenüber. Diese Gefühlsarmut ist wiederum Ergebnis einer Kindheit während des Krieges, die von sadistischen Nonnen in einem Waisenhaus geprägt war. Einzig die mit Sehnsüchten aufgeladene Projektion der spurlos verschwundenen Barbara Gidden gibt Giddens emotionalen Resten in sich so etwas wie Perspektive - und der Reiz immer größerer und fantastischerer Spiele, die ihren Gipfel im Versprechen von Regen in staubtrockenen Regionen und dem Zuzug von "Gastarbeitern" im bundesrepublikanischen Wirtschaftswunderdeutschland finden sollten.
Nach der Lektüre seines Romans "Die Einsamkeit des Zauberers" von 1991 ein wenig aus den Augen verloren, zeigt Herbert Genzmer in seinem neuesten Roman, dass er es nicht verlernt hat, seine Protagonisten in eleganter Sprachregelung von der Allgemeinheit entrückte Standpunkte einnehmen zu lassen und damit eben diese Allgemeinheit aufs Unterhaltsamste zu spiegeln, so dass am Ende die absehbare Volte des "betrogenen Betrügers" weniger Befriedigung als Mitleid mit dem Täter auslöst - was spätestens jetzt auch zu einer Spiegelung des Lesers führt (oder führen sollte).
Doch nach dieser Zeitreise in die bundesdeutschen 1950er und 60er derart auf die Schippe genommen zu werden, macht einfach nur Spaß und den Roman zu einem lese- und preiswürdigen "Highlight" dieses Bücherfrühlings.
Weitere Besprechungen zu Werken von Herbert Genzmer siehe:
Herbert Genzmer: Die Einsamkeit des Zauberers (1991)
Herbert Genzmer: Das perfekte Spiel (2012)