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Wolfgang Schwarzer ist SCHWARZER, WOLF, SKIN. Er fühlt sich wohl in der Gruppe. In ihr findet er die Geborgenheit, die er zu Hause vermißt. Da ist Verbundenheit, wie er sie noch nie gespürt hat. Wenn alle so eine bestimmte Menge Bier drin haben, gehen sie los und machen einen drauf. Randale. Zoff. Ausländer aufmischen. Für Ordnung sorgen. Das macht Spaß. An seinem Freund Andy, der einem 'gutbürgerlichen Elternhaus' entflohen ist, erlebt Wolf auch das zwiespältige. Andy sagt zu seiner behinderten Lehrerin grinsend, daß sie 'damals' bestimmt vergast worden wäre, aber als sie den Türken 'plattmachen' meint Andy: Mensch ist Mensch!
Elisabeth Zöller* firmiert als Autorin dieses Buches unter dem Pseudonym Marie Hagemann, da sie während ihrer Recherchen mehrfach bedroht wurde. Sie hat die Ergebnisse dieser Recherchen zu einem Fall zusammengezogen, ohne ihn zu überfrachten. Ihr ging es nicht darum, bestimmte Personen zu entlarven, sondern ausschließlich Haltungen und Handlungsweisen aufzuzeigen, die symptomatisch für die breitgefächerte Skinszene sind. Es ist der wohl bestmöglich gelungene Versuch einer Quadratur des Kreises, erzählt doch Schwarzer Wolf in eigenen Worten von seiner Sprachlosigkeit, die ihn in diese Szene getrieben hat. Das rechtsradikale Ambiente erweist sich als ein Rahmen, der der unsäglichen Haßenergie eine bestätigende Zielrichtung gibt - für die meisten dieser Jugendlichen zum erstenmal eine Bestätigung ihrer Gefühle, ihrer Existenz. Da erweist sich das verspätete, mißbräuchlich halbherzige Reagieren unserer Regierung nach wie vor als reine Oberflächenkosmetik, denn exemplarische Strafen allein verändern nicht das Konzept einer Gesellschaft, in der Kinder und Jugendliche über die wirkungsloseste Lobby verfügen. Kinder zu selbstbewußten und selbstbestimmten Demokraten erziehen, verlangt eben auch die vorgelebte Integrität der Erwachsenen, die sich sichtbar dem Gemeinwesen zur Verfügung stellt.
Dieses Buch versucht eine prosaische Bestandsaufnahme, die einen bereits in der Szene eingebundenen Skin kaum noch erreichen dürfte - wer liest in diesem Alter überhaupt noch Bücher? Trotzdem sollte man nichts unversucht lassen und es Jugendlichen ab 12, 13 Jahren als Bestandteil einer 'Vorsorgemaßnahme' in die Hand geben. Zuallererst sollten jedoch wir Erwachsenen dieses Buch mit Verstand und Herz zu lesen versuchen, wir Eltern, Lehrer und Politiker, um dann im Vorfeld genügend Verständnis für einen Dialog zu entwickeln und um dann endlich die wirklich not-wendigen Prioritäten zu setzen.
*(Name nachgetragen 2010, da auch auf der Autorenhomepage inzwischen offengelegt.)
Weitere Besprechungen zu Werken von Elisabeth Zöller siehe:
Marie Hagemann (Pseudonym): Schwarzer, Wolf, Skin (1993)
Elisabeth Zöller: Und wenn ich zurückhaue? (1994)
Elisabeth Zöller: Der Klassen-King (1999)
Elisabeth Zöller: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife (2012, Kurzhinweis)