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Eine Handlung? Klingsor kommt zu spät. 'Der Sängerstreit' auf der Wartburg ist längst vorrüber, und Klingsor muß sich vom tyrannischen Burgherrn fragen lassen, ob er womöglich ein Spitzel sei. Klingsor landet im Verlies, doch am Ende wird ihm sogar selbst das Burgherrndasein angetragen, und ganz am Ende gewinnt erneut Walther von der Vogelweide den Sängerstreit - aber das läßt Klingsor dann ziemlich kalt ...
Morbide wie der Wiener Zentralfriedhof und an grotesker Absurdität auf Augenhöhe mit solchen Meistern wie Samuel Beckett oder Dario Fo, hat Franz Hodjak hier einen fulminant phantastischen Erzählraum geschaffen, in dem die Dialoge zwischen Burgherr und Klingsor, aber auch die zahllosen Nebengeschichten der willkürlich Gefangenen beständig das Unterste nach oben pflügen und damit einen Überraschungseffekt nach dem anderen erzielen. Jede Seite feiert ein im Halse steckenbleibendes Lachen und fröhliche Bitterkeit. Diese scheinbar uferlose Parabel auf die Dummheit im Allgemeinen, ist aber wohl auch ein Schlüsselroman auf die selbsterlebte Diktatur in Siebenbürgen, die Wende in Rumänien, die Nachwendezeit in Deutschland. Ein pralles Loblied auf den Ekel, von dem man sich am liebsten in einem Zug berauschen lassen will, es sich am besten aber doch zu 2, 3 Strophen à 60, 90 Seiten einteilt, um sich auch wirklich nichts davon entgehen zu lassen.
Weitere Besprechungen zu Werken von Franz Hodjak siehe:
Franz Hodjak: Zahltag (1991)
Franz Hodjak: Der Sängerstreit (2000)