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Manchmal ist das Nacheinander der Buch-Lektüren von Bedeutung und
fällt einem geradezu glückhaft, weil konstruktiv bewegend zu.
(Was meint da eigentlich "Zufall"?)
Bereits 1964/65 beschrieb die mittlerweile 86-jährige Schriftstellerin
Anna Maria Jokl ZWEI FÄLLE ZUM THEMA "BEWÄLTIGUNG DER VERGANGENHEIT"
aus ihrer Praxis als Therapeutin. Sie waren bisher nur in Fachzeitschriften
nachzulesen, nun als Buch kann sich endlich eine breitere Öffentlichkeit
an ihnen reiben. Diese Fälle beziehen sich auf zwei junge Männer,
die das III. Reich bzw. den Holocaust als unmündige Kinder durchlebt
haben und nun beide von selbstzerstörerischen Psychosen bedroht sind.
Der gravierende Unterschied: Der eine war Jude und überlebte zusammen
mit seiner Mutter die Verfolgung in der nervenzerreißenden Enge eines
Verstecks, der andere war Sohn eines SS-Sturmbannführers und besuchte
seinerzeit ein Elite-Internat der Nazis. Das Überraschende, das sich
beide Kinder nun als Erwachsene mit einem ähnlichen Entsetzen und
daraus resultierenden Krankheitsbild auseinandersetzen müssen, korrespondiert
hierbei mit der Stellung A. M. Jokls, die als Jüdin in beiden Fällen
als Therapeutin, als "Werkzeug der Veränderung" und drittens
als "Mensch schlechthin" gefordert war. Ihr half dabei die Essenz einer
Chassidischen Geschichte nach Martin Buber, wonach man handeln soll, "als
wäre da kein Gott, sondern auf der ganzen Welt nur einer, der diesem
Menschen helfen kann, du allein." Dieses auch einmal mehr dank Jokls
Sprachfertigkeit bedeutsame Werk bietet uns allen eine schmale, durch plumpe
Ausdeutung allerdings leicht zerbrechliche Brücke möglicher Verständigung,
die nach so vielen Jahrzehnten nun vielleicht genutzt werden könnte ...
Weitere Besprechungen zu Werken von Anna Maria Jokl siehe:
Anna Maria Jokl: Essenzen (1993)
Anna Maria Jokl: Zwei Fälle zum Thema "Bewältigung der Vergangenheit" (1997)