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Bill Wyman Nr. 2, der Nachnamen und Nummer je nach Situation wechselt,
versäuft seine Liebe zu einer Frau, die so zielbewußt scheint, wie Bill entschlußlos
ist. Bill, in seinen Wachträumen ständig zwischen Kreuzberg und
Samothraki on the road, hält sich am Ende des Buches vom Alkohol geschlagen am Schreibtisch fest, während 'sie' als
mutmaßliche Terroristin auf der Autobahn gestellt und in 'Notwehr'
erschossen wird.
Eine Collage vieler Wahrnehmungen, die präzise beobachtet.
und, bei aller tristesse des Themas, oft schnoddrig-witzig
geschildert sind. Mir wurde hierbei das Gefühl vermittelt; etwas
von der Gleichzeitigkeit des Erlebens nachlesen zu können. Eine
Hand hält das leere Glas, die Augen sehen zur Tür, der Mund spricht
eine Bestellung, der Kopf ... ja der träumt oder denkt gerade an 'sie' oder
Kreuzberg oder Samothraki. Sie, d.i. die Summe eines Frauenbildes, kommt
persönlich zu Wort. Er könne nicht wie eine Frau fühlen und denken,
also setzte Michael Meinicke mit Erlaubnis ihm befreundeter Frauen Briefe oder Zitate von diesen
nahezu wörtlich in den Text um.
Dieses Buch ist nicht für lange, graue Novemberabende geschrieben,
zuoft mußte ich innehalten, es zur Seite legen, es bedenken. Absätze
grenzen oft nur 3, 2 oder halbe Seiten ein, und jeder Abschnitt ist durchgearbeitet,
auf das Wesentliche verdichtet. Aber für Michael Meinicke zielt das
Wesentliche auf den Sieg der Einsamkeit, was der heutige Zeitgeist mit
'no future' zu fassen sucht.
Dennoch, die gut gesetzten Zitate (der Frauen, aber auch von Fichte,
Aristoteteles, Berlins Innensenator Lummer u.a.) geben dem Leser genügend
Hinweise, auch auf ganz andere Gedanken zu kommen. Die Illustrationen von
Helmut Zielke nehmen das Widersprüchliche und Collagenhafte des Textes
gekonnt auf und geben auch Markierungspunkte für die fehlenden Kapitelzeichen
oder Überschriften, die das Lesen etwas leichter gemacht hätten.
Für Leute mit Geduld und Lust an scene-Beschreibungen ist das
handlich, gut verarbeitete Buch aber durchaus tragbar.
Weitere Besprechungen zu Werken von Michael Meinicke siehe:
Michael Meinicke: Revolution der Einsamkeit (1985)
Michael Meinicke: 'Junge Autoren' in der DDR 1975-1980 (1987)