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Eine Biographie über Franz Kafka - für Jugendliche? Eine lohnenswerte Zumutung!
Alois Prinz setzt den Anfang dieser Lebensgeschichte mit dem Jahr 1910, als der 27-jährige Franz Kafka vom Präsidenten der Böhmischen Versicherungsgesellschaft AUVA zum beamteten Konzipisten ernannt wird und diesen höchst feierlichen Augenblick mit einem Lachanfall sprengt. Doch dieser Lachanfall bricht Kafka beruflich keineswegs das Genick, im Gegenteil, nahezu bis an sein Lebensende ist die Versicherungsgesellschaft von seinen Qualitäten überzeugt und gewährt ihm vergleichsweise große Freiräume, was geringere Arbeitszeiten und Beurlaubungen für Kuraufenthalte in Sanatorien angeht. Aber Kafka bedrückt diese Großzügigkeit, sieht er sie doch zeitlebens als unverdient an ...
In diesem Eröffnungskapitel werden in Rückblicken zugleich der mit ihm durchweg unzufriedene Vater, die um Vermittlung bemühte Mutter, seine Schwestern, darunter die verständnisvolle Otla und Kafkas bester Freund Max Brod eingeführt. Der Vater, das alles dominierende Zentrum der Familie, ist schnell als Hauptindikator für Kafkas Neurosen ausgemacht - aber weder Alois Prinz noch Kafka selbst führen ihn als Schuldigen für das nie wirklich über die Schwelle gelangende Glück im Leben Kafkas vor. Kafka liebt seinen Vater, und sein Vater liebt ihn - und beide leiden aneinander.
Alois Prinz ist mit seiner Biographie etwas Großartiges gelungen. Die aus den Tagebüchern Kafkas und von anderen Zeitzeugen gewonnenen Ein- und Ansichten belegen anschaulich, dass für Kafka das Schreiben stets aufs Neue wie eine Geburt ist, "mit Schmutz und Schleim bedeckt. Nur so kann geschrieben werden, nur in einem solchen Zusammenhang, mit solcher vollständigen Öffnung des Leibes und der Seele."
Und genau diese genialische Unbedingtheit, das künstlerische Ideal vom Wahrhaftigen über die Rücksicht gegenüber sich und anderen zu stellen, dürfte auch lesegeübte Jugendliche ansprechen und im doppelten Wortsinn bedenkenswert erscheinen lassen. Ebenso dass Alois Prinz ohne jeden belehrenden Kommentar auskommt und aus den zahllosen, im Anhang quellensauber belegten Zitaten ein auch sprachlich in sich geschlossenes Ganzes geformt hat. Bei ihm wird das Leben Franz Kafkas zu einem spannungsgeladenen Spagat, der den Lesern Sympathie und Bewunderung, aber auch Mitleid und entsetztes Kopfschütteln abverlangt.
Weitere Besprechungen zu Werken von Alois Prinz siehe:
Alois Prinz: Auf der Schwelle zum Glück (2005)
Alois Prinz: Mehr als du denkst (2009)
Alois Prinz: Jesus von Nazaret (2013)