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Doron Rabinovici

Papirnik

Erzählungen. ed. suhrkamp, Frankfurt a. M. 1994, 135 S., ISBN: 3-518-11889-7, >>> Amazon
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"'Ich bin kein Mann aus Fleisch und Blut', hauchte Papirnik mit weinbeflaggtem Atem. Er zog sich aus. Lola konnte es nicht fassen. Seine Brust füllten Bündel aus Buchseiten. (..) Seine Wirbelsäule war die Rückenleiste eines Papierblocks."
PAPIRNIK, so heißt auch die Titelgeschichte von insgesamt 10 Stories des Wiener Autoren Doron Rabinovici. Der "vielseitige" Papirnik ist gleichsam die Ouvertüre für ein Feuerwerk bestechender Einfälle, die einen das schmale Prosabändchen wie eine liebgewordene Gedichtsammlung immer wieder durchfleddern lassen. Sämtliche ProtagonistInnen sind Juden in Wien, die sich mit unverhohlenem Antisemitismus und dem eigenen zwiespältigen Befinden als Shoa-Nachgeborene auseinanderzusetzen zu haben. (Außer Papirnik, der zum Sinnbild aller im III.Reich verbrannten Bücher wird und Lola, die diesen Verlust nun mit ihrer Erinnerung wieder auszugleichen sucht. Beide bilden als Prolog und Epilog buchstäblich die historisch literarkritische Klammer.)
Jedes dieser Kurzprosa-Kleinode ist angefüllt mit Sätzen zum Verlieben (z.B. in NOÉMI: "So beließen sie es bei ihrer Doppelzüngigkeit und warfen sich aufs Bett, aus dem alte Gefühle aufstaubten.") und verfügt nicht nur über ein oder zwei Schlußpointen, sondern gleich über drei oder vier. NOÉMIs Schlußsatz mündet zudem wie bei den augentäuschenden Bildern von Escher in den Anfangssatz.
In der Form von unwiderstehlicher Eleganz verhaken sich die ironischen Sentenzen im Hals, und unsereins (insbesondere ohne Verfolgungserfahrungen im biographischen Gepäck) schaut mit recht wacklig gewordenen Beinen in so manch unerwarteten Abgrund, der im Nachhinein doch gar nicht so unerwartet hätte sein dürfen. Dabei handeln die meisten Geschichten vordergründig von ganz Alltäglichem wie sich verlieben und verlassen werden, den Wunsch eine Bank um ihr Geld zu erleichtern oder von dem nur allzuleicht tödlich endenden Versuch, professoraler Gewohnheit Widerstand leisten zu wollen. Eindeutiger sind die Parabeln von den zwei Blinden, die ihren Mörder rechtzeitig zu richten wissen und jene von den exekutierenden Soldaten im Theater, die dann doch nicht mit Platzpatronen geschossen haben.
Und jede einzelne Story ist mehr als preisverdächtig!

Weitere Besprechungen zu Werken von Doron Rabinovici siehe:
Doron Rabinovici: Papirnik (1994)
Doron Rabinovici: Suche nach M. (1997)
Doron Rabinovici: Ohnehin (2004)

Buechernachlese © Ulrich Karger


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