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Kater Robinson, der sich selbst nur ICH nennt, landet zuerst als eines von mehreren Geburtstagspaketen bei der nunmehr 5-jährigen Vanessa, die sich selbst nur noch Gaby nennt. Von Gaby zur Babypuppe missbraucht und für ein Computerspiel zur Seite gelegt, muss Robinson wegen des anstehenden Familienurlaubs alsbald in die Katzenpension. Von dort gelingt dem Kater die Flucht in die "goldene Freiheit" eines Hafenviertels, was ihm außer Hunger und Ärger mit anderen Tieren auch noch einen abgehackten Schwanz einbringt, nachdem er einem Metzger ein Würstchen entwendet hat. In einem anrüchigen Etablissement nehmen den Kater freundliche Damen auf, die seinen Schwanzstummel verbinden. Vom Zuhälter wieder nach draußen gejagt, wird er schließlich von einem alten VW-Bully angefahren. Der Eigner des Fahrzeugs, der bereits eine Katze namens Sirikit beherbergt, nimmt ihn auf - und zum glücklichen Ende wird Sirikit für Robinson zur DU ...
Eigentlich ist der Hanser Verlag einer der besten, weil anspruchsvollsten Kinderbuchverlage Deutschlands, und eigentlich ist Peter Schössow ein begnadeter Kinderbuchillustrator und Harry Rowohlt immerhin DER Übersetzer von "Pu der Bär" - doch die von diesen dreien vorgelegte Neuausgabe des Bilderbuches "Ich, Kater Robinson" ist so ziemlich das abseitigste, was mir bislang als Bilderbuch mit einer Empfehlung für Kinder ab 4 Jahre vorgelegt wurde.
Und da kann es zuvor bereits in vier anderen Verlagen veröffentlicht und seine Erstausgabe von 1988 tausendmal als eines der "Schönsten Bücher" ausgezeichnet worden sein ...
Wie Schössow z.B. den Kater zeichnet, hat auch hier subtilen Witz - doch wenn der Verlagshinweis richtig verstanden wird, hat er bereits vor dem Text den Plot und damit das ihm entsprechende und leider nur allzu gut passende Szenario angelegt. Deshalb sollte vor dem Erwerb des Buches nicht nur flüchtig über die Bilder hinweggeschmunzelt sondern auch der Text dazu gelesen werden!
Denn Harry Rowohlt gibt seinem Affen Zucker, und macht aus der Vorlage Schössows angeblich ein Kater-Abenteuerbuch, dessen "Helden" jedoch eine ironisch-zynische Perspektive abverlangt wird, die Kinder nicht verstehen und selbst Erwachsenen wohl eher sauer aufstoßen wird. Denn dass u.a. die einzig dunkelhäutige unter den oben erwähnten freundlichen Damen ohne Not (und noch immer!) als "Bimbo Betty" vorgestellt wird, dürfte selbst jene irritieren, die sich ansonsten gern und wohlfeil von "Gutmenschen" abgrenzen.
Angesichts der ausgemalten Tierquälereien also ein Katzenhasser-Buch?
Zumindest ein Kinder- und Elternhasser-Buch, denn abgesehen von der einseitig denunziatorischen Eröffnung kommen keine anderen Kinder nebst Eltern vor. Und bis auf den mit Sikirit lebenden einstigen Seemann und Sammler von afrikanisch anmutenden Masken treten nur Erwachsene auf, die entweder nicht auf Katzen (und ihre Kinder) aufpassen, sich nicht gegen Zuhälter durchsetzen oder einen Axt bewehrten Metzger nicht aufhalten - können oder wollen. Und der in Klammern gesetzte Hinweis des Katers, dass angeblich nur Gaby das viele Blut, das beim Schwanzabhacken floss, in einem Bilderbuch nicht sehen mag und deshalb darauf verzichtet wurde, es zu zeigen - soll was sein? Komisch?
Gewiss, das Leben ist hart und Kinder lieben durchaus brutale Storys, in denen es den Bösen an den Kragen geht - aber mit wem sollen sie sich hier identifizieren? Etwa mit dem gequälten Kater? Ist sein Schicksal eine Vorbereitung auf schlechte Zeiten? Erst missbraucht, dann frei, um eins auf die Schnauze bzw. den Schwanz zu bekommen und dann auf eine wieder vom Zufall zugeteilte Nestwärme hoffen? Eine Anleitung zur möglichst schnellen Überwindung der Kindheit? Für 4- bis 6-jährige??
Wahrscheinlich doch eher was für nach wie vor an ihrer Postpubertät klebenden Beatniks, die inzwischen wohl bestallt ihren tatsächlichen oder auch nur vorgeblichen Straßenkämpferzeiten nachtrauern und vor der Lektüre nicht nur, meinethalben in einer Hafenkneipe, am Alkohol gerochen haben ...
Und für die, die nur die letzten Absätze einer Rezension überfliegen, sei es unmissverständlich gesagt: Dieses Bilderbuch ist für Kinder von 4 bis 6 Jahren nicht zu empfehlen!
Weitere Besprechungen zu Werken von Harry Rowohlt siehe:
Harry Rowohlt (Übersetzung) - Alan Alexander Milne: Pu der Bär - Pu baut ein Haus (2006)
Harry Rowohlt: Der Kampf geht weiter! - Nicht weggeschmissene Briefe (2006)
Harry Rowohlt (Text): Ich, Kater Robinson (2011
Harry Rowohlt (Übersetzung) - Philip Ardagh: Familie Grunz hat Ärger (2013)
Weitere Besprechungen zu Werken von Peter Schössow siehe:
Peter Schössow (Bild + Text): Mein erstes Auto war rot (2010)
Peter Schössow (Bild): Ich, Kater Robinson (2012)