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Awtandil liebt seinen König, und er liebt dessen Tochter Tinatin - so bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich auf die Suche nach einem Mann zu machen, der alle Menschen von sich fernhält, und wenn man ihm zu nahe kommt, mit seiner Peitsche tödliche Hiebe austeilt. Awtandil trifft den Mann nach langer Suche und sie werden beste Freunde - doch die Freundschaft zu dem in seinem Liebeskummer vom Wahnsinn bedrohten Tariel verlangt von Awtandil, sich nun auch auf die Suche nach der entführten Nestan-Daredschan zu begeben. Nur gut, dass Awtandil währenddessen in Pridon einen weiteren Freund gewinnt …
"Der Held im Pardelfell" ist eine georgische Sage von Schota Rustaweli, niedergeschrieben in Versen um das Jahr 1200. Von Tilman Spreckelsen nacherzählt und Kat Menschick illustriert, liegt sie nun in einer Buchausgabe vor, die auch Bibliophile überzeugen wird.
Für die Georgier wurde die Sage zum Nationalepos, in seiner Bedeutung vergleichbar der Nibelungensage für die Deutschen.
Die Helden sind vor allem Liebende und die von ihnen geliebten Frauen sind von sehr eigener Stärke. Darüber hinaus sind für ihren Erfolg durchaus brutale Schlachten und auch List vonnöten, aber das direkte Umfeld der Hauptfiguren kommt ohne Missgunst, Rachsucht und falsch verstandene Treue aus - und das klingt dann eben doch ganz anders als bei den Nibelungen. Vielmehr verschachtelt wie eine Geschichte aus Tausendundeiner Nacht, ist "Der Held im Pardelfell" nicht zuletzt ein hohes Lied auf die Liebe und voller Zärtlichkeit.
Der Rezensent muss einräumen, dass er bislang weder eine werkgetreue Übersetzung gelesen hat, geschweige denn das Original zu lesen vermag. Dennoch: Tilman Spreckelsens Nacherzählung ist äußerst überzeugend, weil in ihrer so klaren wie eingängigen Sprachregelung selbst für heutige Lesegewohnheiten geradezu mitreißend. Zudem legt der Autor in einem 12-seitigen Nachwort die Einschränkungen seiner Nacherzählung offen und offenbart darin ein luzides Verständnis zu dem Originalwerk und dessen Autor.
Zum Bucherlebnis wird das Ganze aber nicht zuletzt auch dank seiner soliden Hardcover-Ausgabe und den in Farbgebung und Zuordnung kongenialen, und wie immer meisterlich gestalteten Illustrationen von Kat Menschik.
Somit mehr als lesens- und habenswert, setzt die Büchernachlese einen bescheidenen Anfang und nimmt es in ihre Bestenliste auf - auf dass dem noch bemerkenswertere literarische Auszeichnungen folgen mögen.
Weitere Besprechungen zu Werken von Tilman Spreckelsen siehe:
Tilman Spreckelsen: Gralswunder und Drachentraum (2007)
Tilman Spreckelsen (Hrsg.): Die Bücher mit dem blauen Band (2009)
Tilman Spreckelsen: Der Mordbrand von Örnolfsdalur und andere Isländer-Sagas (2011)
Tilman Spreckelsen: Der Held im Pardelfell (2018)
Weitere Besprechungen zu Werken mit Illustrationen von Kat Menschik siehe:
Enn Vetemaa: Die Nixen von Estland (2002)
Tilman Spreckelsen: Der Mordbrand von Örnolfsdalur und andere Isländer-Sagas (2011)
Franz Kafka: Ein Landarzt - Kleine Erzählungen (2016)
Volker Kutscher: Moabit (Kurzhinweise 2017)
Schota Rustaweli/Tilman Spreckelsen: Der Held im Pardelfell (2018)
Asbjørnsen/Moe: die Puppe im Grase (2019)
Kat Menschiks & des Diplombiologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes Illustrirtes Thierleben (2020)
Asta Nielsen: Im Paradies (2023)
Russ Hodge: Lebenskünstler - Von frostfesten Fischen, radioaktivitätsresistenten Bärtierchen und selbstheilenden Amphibien (2024)