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Rafik Schami & Uwe-Michael Gutzschhahn

Der geheime Bericht über den Dichter Goethe

Roman. Hanser Verlag, München 1999, 189 S, ISBN: 3-446-19639-0, >>> Amazon
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Im Jahre 1890 wird ein Segelschiff überfallen und die ganze Mannschaft getötet. Nur eine deutsche Fürstin und ihr zehnjähriger Sohn Thomas können sich auf die arabische Insel Hulm retten. Die Beherrscher Hulms nehmen beide herzlich auf, und Thomas wird bald ein enger Freund des gleichaltrigen Prinzen Hakim. Ein Paradies auf Erden, vergehen die nächsten zehn Jahre wie im Flug. Innerhalb der internationalen Machtkämpfe entzog sich die Insel bislang geschickt jeder Begehrlichkeit. Doch dann stirbt der Vater, und Hakim muß sich als neuer Sultan um die Amtsgeschäfte kümmern. Thomas, nun Tuma genannt, steht ihm als Helfer und Berater zur Seite. Trotz ihrer Jugend erkennen beide, daß die politische Isolation nicht mehr lange aufrechtzuerhalten ist. So beschließen sie neben dem Bau eines größeren Hafens auch ein "Haus der Weisheit" einzurichten. Eine Auswahl der besten europäischen Bücher soll der Jugend ein Verständnis für die Seele fremder Kulturen ermöglichen. In die verschiedenen Länder werden Kundschafter entsendet, die dann einer Prüfungskommission zu berichten haben. Zurück von seiner Reise aus Deutschland, unter anderem auch Heine, Nietzsche und Schopenhauer im Gepäck, wirbt Tuma als erstes für den "Fürsten der deutschen Dichter und Denker" Goethe.
Die Rahmenhandlung von knapp zwanzig Seiten gibt dem 130-seitigen Bericht Tumas eine wirkungsvolle Klammer. Das fiktive Hulm spiegelt die sie umgebende politische Realität zu Anfang des 20.Jahrhunderts und eröffnet zugleich einen Dialog zwischen Orient und Okzident. Damit haben sich Rafik Schami und Uwe-Michael Gutzschhahn einen mitreißenden, Jubiläums unabhängigen Erzählgrund aufgebaut, das vielfältige Werk Goethes ins Spiel zu bringen. Die Klammer wirkt in dem Bericht nämlich fort, die Kommission bleibt nicht stumm, sondern reagiert temperamentvoll auf das Vorgetragene und erwidert es immer wieder mit Beispielen aus dem eigenen Kulturkreis. Und die durchaus differenzierende Begeisterung Tumas für Goethe steckt an. Daß ihm die Kommission für seinen Vortrag anstelle der üblichen maximal sieben gleich neun Nächte zugesteht, werden auch die Leser nachvollziehen. Denn Tuma, oder vielmehr das Autorengespann Schami/Gutzschhahn findet genau das richtige Maß für Zitate, Zusammenfassungen und zuweilen auch um Anekdoten angereicherte Einschübe.
Werden "Die Leiden des jungen Werther" noch ein wenig zwiespältig aufgenommen, stoßen "Wilhelm Meisters Lehrjahre", die Fabel von "Reineke Fuchs" und die im Anschluß vom "Zauberlehrling" rezitierten Naturgedichte auf große Gegenliebe. Goethes "Faust" wird ebenfalls hoch geschätzt, soll dann aber doch nur älteren Jugendlichen zugänglich gemacht werden. In den Wahlverwandtschaften erkennt man nach der absoluten Liebe Werthers die Erweiterung des Themas um die Frage nach der Treue. Es folgt ein Exkurs über Goethes Farbenlehre, die zwar Interesse findet, aber als bereits überholt angesehen wird. Der "West-Östliche Divan" und nicht zuletzt die Überlieferungen seiner erstaunlich respektvollen Wahrnehmung von Kindern lassen Goethes Werke schließlich mit Bravour Einzug in das "Haus der Weisheit" halten.
Dem schließt sich noch das ernüchternde Ende der Rahmengeschichte an, Prinz Tumas Anhang einer in der Kürze etwas zu kritiklos geratenen Goethe-Biographie sowie eine Liste mit Tips zu Büchern, Theateraufführungen auf Videos und Hörbeispielen auf CDs.
Dieser anregende, neugierig machende und Horizont erweiternde Überblick auf das Schaffen Goethes ist für Jugendliche ab 16 Jahren aufs wärmste zu empfehlen. Lesegeübt und bereits von sich aus an Goethe interessiert, könnten hierbei sogar auch jüngere auf ihre Kosten zu kommen.

Weitere Besprechungen zu Werken von Rafik Schami siehe:
Rafik Schami: Reise zwischen Nacht und Morgen (1995)
Rafik Schami & Uwe-Michael Gutzschhahn: Der geheime Bericht über den Dichter Goethe (1999)
Zwei Kürzesthinweise als Sampler:
Rafik Schami: Der Schnabelsteher (1995)
Rafik Schami: Fatima und der Traumdieb (1996)


Weitere Besprechungen zu Werken von Uwe-Michael Gutzschhahn siehe:
Uwe-Michael Gutzschhahn: Betreten verboten (1995)

Buechernachlese © Ulrich Karger


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