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Gerhard Schweizer

Ungläubig sind immer die Anderen

Klett-Cotta, Stuttgart 1990, 364 S., ISBN: 3-608-93150-3, >>> Amazon
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"Religion ist ein Thema. Und wird es auch in Zukunft bleiben.(..) Denn schon die kommenden Jahrzehnte werden verstärkt von geistigen Kräften außerhalb unseres abendländischen Horizonts mitgeprägt sein"
Von dieser These ausgehend stellt sich für den in Wien lebenden Kulturwissenschaftler Gehard Schweizer eindringlich die Frage, ob eine stabilere Zukunft für das nächste Jahrhundert nicht auch wesentlich davon abhängt, daß die großen Religionsgemeinschaften in Frieden miteinander leben. Zum Verständnis untereinander ist zuallerst Kenntnis voneinander nötig.
Der gewählte Untertitel WELTRELIGIONEN ZWISCHEN TOLERANZ UND FANATISMUS darf aber keine Omnipotenzerwartungen auslösen. Dem nicht theologisch geschulten G.S. unterliefen ungewollte Widersprüchlichkeiten, wenn er z.B. den Uraltfehler, die Pharisäer als ganze Gruppe und Partei für den Tod Jesu verantwortlich zu machen, ein weiteres Mal abschreibt. Das macht der Autor aber wett, indem er persönliche Erlebnisse und Gespräche "vor Ort" in seine Diskussion miteinbezieht und sich im Großen und Ganzen bei unterschiedlicher Quellenlage doch als sehr kenntnisreich erweist und sauber zitiert.
Die "Intoleranzen" sind demnach keineswegs gleichwertig einzuschätzen. Zumeist sind sie machtpolitisch begründet und graduell sehr unterschiedlich ausgelebt worden. Während z.B. die Christen lange Zeit in Kombination mit Kolonisierungsbestrebungen dazu neigten, Andersgläubige vor die Wahl Tod oder Taufe zu stellen, bewies der Islam relativ hohe Toleranz, indem er allen Andersgläubigen, die wenigstens dem Ein-Gott-Glauben anhingen, Schutz gewährte. Die Folge davon war eine Blüte islamisch regierter Länder, die dem christlichen Abendland über Jahrhunderte hinweg in allen Wissenschaften weit überlegen waren, da sie den Austausch zwischen den Religionen nicht nur duldeten, sondern sogar förderten. Ein Jude oder ein Christ konnte in der Türkei des Mittelalters durchaus einen Lehrstuhl innehaben und wurde zu freien Diskussionen mit den jeweiligen Herrschern eingeladen - in Deutschland war das umgekehrt bis ins 19.Jhdt nicht möglich gewesen.
Schweizer belegt einmal mehr, daß man genau unterscheiden muß zwischen eigentlichen Glaubenskämpfen, die sich immer dann ereignen, wenn der Bestand einer Religion an sich gefährdet ist, und solchen Konflikten und Kriegen, bei denen sich politische und soziale Spannungen lediglich im Namen der Religion entladen. Das führt er besonders deutlich am Beispiel der sehr toleranten Auffassung fernöstlicher Religionen aus: Hindus haben in religiösen Fragen überhaupt keine Berührungsängste, sind aber durch die Kolonialzeiten derart "gebrannt", daß sie in bestimmten Gegenden u.a. keine christlichen Missionare mehr dulden.
Der größte Feind aller Religionen ist auch nicht der Atheismus. Es "rücken religiös Gläubige mit ethisch motivierten Atheisten sogar ungewollt zusammen: Mögen sie auch eine unterschiedliche Vorstellung von Transzendenz und Moral haben, beide Seiten verfügen über Transzendenz und Moral".
G.S. hebt mit seinem Werk in anschaulicher Weise den Blick über den Tellerrand und das ebenfalls daraus entnommene nachfolgende Zitat Gandhis kann nicht nur auf die Weltreligionen im Allgemeinen bezogen, sondern sollte auch ganz speziell innerhalb den christlichen Kirchen verstanden werden, denn die größte Niederlage vor der eigenen Haustür sind resignierte Karteileichen, die sich zurecht nicht verstanden wissen ...
"Was der Augenblick fordert, ist nicht eine Einheitsreligion, sondern gegenseitige Achtung und Toleranz der Gläubigen der verschiedenen Religionen. Wir erstreben keine tote Gleichmacherei, sondern Einheit in der Verschiedenheit. (..) Die Seele der Religionen ist eine, aber sie ist in eine Vielfalt von Formen eingeschlossen."

Weitere Besprechungen zu Werken von Gerhard Schweizer siehe:
Gerhard Schweizer: Ungläubig sind immer die Anderen (1990)
Gerhard Schweizer: Indien (1995)
Gerhard Schweizer: Syrien (1998)

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