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"Lassen wir uns anregen von den alten Dichtern und Denkern. Was von ihnen zu uns gelangt ist, hat einen jahrhundertelangen gnadenlosen Ausleseprozess überstanden. Dieser Prozess war oft ungerecht, vieles Wertvolle ist für immer verloren. (..) Überliefert ist nur ein Bruchteil dessen, was damals geschrieben wurde. Aber für Sinnsuchende ist ein Fundgrube."
Nach seinem erfolgreichen Roman-Debut mit Das Rätsel von Hagalil legt Gregor Bauer mit "Der Weise und sein Schatten" nun auch ein überzeugendes Sachbuch vor, das den "Sinnstiftern der klassischen und biblischen Antike" nachspürt. Warum er es als Selbstpublikation veröffentlichen musste und sich nicht der Verlag seines Romans oder ein anderer dafür eingesetzt hat, ist allerdings ein neues Rätsel. Denn dem Autor, der in Bamberg Germanistik, Altphilologie und Philosophie studiert und unter anderem in Prag als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache am Goethe-Institut sowie als Lektor für Germanistik an der Karls-Universität gearbeitet hat, ist hier eine fundierte Tour d'horizon gelungen, die zu einer wahrlich Horizont erweiternden Rundreise durch die Geistes- und Gedankenwelt bis heute wirksamer Denker der Antike einlädt. Und dies in einer, ähnlich der Publikationstradition angelsächsischer Wissenschaftler, sehr eingängigen Sprachregelung, die im Gegensatz zu "Lehrbüchern" wie die von Spaemann & Schweidler Erstsemester und interessierte Laien zur Lektüre einlädt anstatt sie zu entmutigen.
Noch besser: Bauer referiert und erläutert wesentliche Grundzüge, legt den Finger ebenso auf Widersprüche wie auf das, was nach wie vor bedenkenswert ist - und ermutigt damit vor allem immer wieder aufs Neue, selber zu denken und sich eine eigene Meinung zu bilden. Besonders interessant dazu eine für Philosophen ungewöhnlichen Verknüpfung - denn in der Zielgeraden findet der Autor unter gleichen Vorzeichen konstruktiv-kritische Anmerkungen zum Alten Testament und zu Jesus. Sollte gerade das bzw. dumpfes Schubladendenken etwa den Hintergrund des oben angesprochenen Rätsels bilden? Man weiß ja: Dümmer geht ümmer …
Eingerahmt von einem Vor- und Nachwort sowie einem so ausführlichen wie beeindruckendem Quellenanhang mit Standardwerken, sind die elf Kapitel des Buches überschrieben mit "Hesiod", "Homer", "Griechische Intellektuelle des fünften Jahrhundert vor Christus", "Sokrates", "Platon", "Aristoteles", "Epikur", "Cicero und die Stoa", "Das Alte Testament", "Flavius Josephus" und "Jesus". Jedem Kapitel vorangestellt sind in Fettdruck gleich Schlagzeilen die Grundthesen der besprochenen Philosophen, Dichter und Denker und am Ende finden sich Tipps "zum Schmökern", die u.a. zur Lektüre der grundlegenden oder/und besonders eingängigen Literatur dazu ermuntern.
Mit diesem gelungenen Werk tritt Gregor Bauer den Beweis an, dass es sich zuweilen durchaus lohnt, auch in den Publikationen von Self-Publishing-Portalen zu stöbern. Wie sagt Denis Scheck so schön? Vertrauen Sie mir und lassen Sie sich mit "Der Weise und sein Schatten" aufs Unterhaltsamste zum Selberdenken anregen!
Weitere Besprechungen zu Werken von Gregor Bauer siehe:
Gregor Bauer: Das Rätsel von Hagalil (2008)
Gregor Bauer: Der Weise und sein Schatten (2014)
Gregor Bauer: Das Übernatürliche - Fakt oder Fake (2021)