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"DER SCHWARZE KELCH" beschließt° die nunmehr insgesamt fast 4000
Seiten umfassende Tetralogie um die "Kinder des Grals".
Aus den im Jahre 1244 vor der Inquisition geretteten Kleinkindern sind
mittlerweile jugendliche Erwachsene geworden, die es leid sind, ständig
als Spielball zwischen den verschiedensten Interessenvertretern hinundherjongliert
zu werden. Sie werden jetzt von den Katharern als das "Königliche
Paar" verehrt, das, wenn schon keine neue Weltordnung, dann wenigstens
eigene und weitgehend selbstbestimmte Akzente setzen will. Während
Roç Trencavel du Haut-Ségur, Nachfahre des Parzifal, auf
ritterliche Heldentaten aus ist und den Gral in einer greifbaren Manifestation
sucht, will Yeza Esclarmunde du Mont y Sion seine ideellen Bedeutung erkennen
und würde am liebsten eine Universität der toleranten Gelehrsamkeit
mitten in Jerusalem gründen. Die Anzahl geheim oder auch offen bekennender
Anhänger der katharischen, d.h. der "reinen" Lehre ist gar
nicht so klein. Aber es brodeln die Intrigen und Kämpfe um die Weltvorherrschaft,
und die Stauffer und erst recht der Vatikan lassen in ihrer Verfolgung
der "Ketzer" nicht nach. Dann kommt es auch noch zur Trennung. Roç
und Yeza haben das Gefühl, nur unabhängig voneinander ihre Bestimmung
finden zu können...
Peter Berling gelang mit seinem Opus magnum ein pralles Panorama des
ausgehenden Mittelalters, das in seiner Weitläufigkeit - vom Languedoc
über den Vorderen Orient bis in die Mongolei - konkurrenzlos dastehen
dürfte. So werden im umfangreichen Anhang u.a. auch die vielsprachigen
Redewendungen kommentiert, die im Text die differenzierte Farbigkeit seiner
Protagonisten ohne Reibungsverluste unterstreichen. Selten bietet ein deutschsprachiger
Autor so unverkrampft und sprachgewandt anregende und zugleich bildende
Unterhaltung. Neben den zahllosen Abenteuern finden sich immer wieder höchst
geistreiche Dialoge und Reflexionen über Gott und die Welt - aus den
unterschiedlichsten, z.T. auch aberwitzigsten Perspektiven, denn selbst
dieses angeblich so finstere Zeitalter zeichnete sich nicht nur durch weltweite
Beschränktheit aus. Hervorragend ausgestattet (u.a. Leinenbindung,
Lesebändchen), kann diese Tetralogie Peter Berlings ohne weiteres
neben "Der Medicus" und "Der Name der Rose" eingereiht werden.
° (Ein Irrtum - erst mit Der Kelim der Prinzessin liegt seit 2005 der 5. und letzte Band vor.)
Weitere Besprechungen zu Werken von Peter Berling siehe:
Peter Berling: Die Kinder des Gral (1991)
Peter Berling: Der schwarze Kelch (1997)
Peter Berling: Der Kelim der Prinzessin (2005)