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Maeve Brennan (1917-1993) veröffentlichte in The New Yorker von 1952 bis 1973 sechs Erzählungen über das Ehepaar Derdon. In der grandiosen Übersetzung von Hans-Christian Oeser wurden sie nun dem Inhalt nach chronologisch aneinandergereiht und erweitern sich auf diese Weise zu einer atmosphärisch dichten Novelle, deren Spannungsbogen vom ersten näheren Kennenlernen, über Heirat und Zusammenleben in einem Dubliner Vorort bis zum Tod eines der beiden Ehepartner reicht.
"Zusammenleben" meint hier jedoch lediglich zusammen ein Haus in getrennten Zimmern bewohnen.
Im Wechsel der Perspektiven von Mr. und Mrs. Derdon zeigen sich von Anfang an Missverständnisse auf, die über 40 Jahre lang gehegt und gepflegt anstatt jemals angesprochen und aufgelöst werden. Eingeübte wie unhinterfragte Rollenbilder manifestieren ein beidseitiges Grauen vor sich und dem anderen, das Kompensation in Tagträumereien und Verdrängung sucht. Dass der Sohn Priester wird, hat denn auch für die beiden Eheleute zwei völlig verschiedene Ursachen und wird entsprechend verschieden gewertet.
Das Grundproblem der Wahrnehmung bzw. Nichtwahrnehmung der Menschen untereinander ist selten so exakt als zähfließender Mikrokosmos auf den Punkt gebracht worden. Ein hochaktuelles Memento mori, denn vor dieser Art Mikrokosmos sind höchstwahrscheinlich auch trotz Emanzipationsbewegung und erleichterter Scheidungsmöglichkeiten die sich perpetuierenden Schemata bei Single-Treffs nicht gefeit.
Weitere Besprechungen zu Werken von Maeve Brennan siehe:
Maeve Brennan: Mr. und Mrs. Derdon (2006)
Maeve Brennan: New York, New York (2012)
Maeve Brennan: Bluebell (2013)