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Büchernachlese-Bestenliste 2011

Martin Grzimek

Tristan

Roman um Treue, Liebe und Verrat. Hanser Verlag, München 2011. 912 Seiten. 24,90 EUR. Ab 14 Jahren. ISBN: 978-3-446-23804-6, >>> Amazon
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Riwalin, der König von Parmenien, stirbt auf dem Schlachtfeld nahezu zeitgleich wie seine Frau Blancheflur im Kindsbett. Doch deren Kind Tristan hat das Glück, in Marschall Rual und seiner Frau Floräte so treue wie ihn liebende Ersatzeltern zu bekommen. Sie verstehen es geschickt, ihn als ihr eigenes Kind auszugeben und so vor den Nachstellungen des Feindes zu schützen. Zumindest vorerst. Denn Marke, der König von Britannien, vermisst noch immer seine innig geliebte Schwester Blancheflur, die der verräterische Riwalin entführt hatte. Und in Irland ist eine den Druiden hörige Königin namens Isolde, die ihre gleichnamige Tochter mit allen Mitteln gegen eine Bedrohung schützen will, die ihr in der Person des Tristan prophezeit wurde. Zum Glück Tristans vergisst Rual nie die Herkunft seines Zöglings und lässt ihn deshalb auch von dem Lehrer Courvenal in Allem unterrichten, wessen ein Königssohn zum Regieren, vor allem aber auch zum Überleben bedarf. Und dies kann nur auf einer langjährigen Reise erlernt werden ...
Nach der herausragenden Versroman-Übertragung von Dieter Kühn (Dieter Kühn: Tristan und Isolde des Gottfried von Straßburg) hat Martin Grzimek mit "Tristan" eine mindestens ebenso bemerkenswerte Prosaromanversion geschaffen, die auch Jugendliche in den Bann zu ziehen vermag.
Für die uralte und in einer Unmenge von Variationen überkommene Legende um Tristan und Isolde hat Grzimek sich ebenfalls auf die Vorlage des Gottfried aus dem frühen 13. Jahrhundert gestützt, jedoch ohne wie Kühn die Fortsetzung des Ulrich von Türheim zu verarbeiten. Und das aus guten Gründen. Denn wo Kühns Versroman die Entwicklung und Erlebnisse seiner Figuren nach der "Original"-Vorlage lyrisch zu verknappen hatte, gelingt es Grzimek, sie nach den Gesetzen eines Entwicklungsromans überzeugend zu entfalten und ihrem Handeln eine plausible Stringenz zu verleihen. Ja mehr noch, er baut sie in ein "reales" mittelalterliches Weltgeschehen samt seinen politischen Unwägbarkeiten ein. Und im Mittelalter steht das Durchsetzen rationaler, allein sich auf Vernunft begründender Entscheidungen noch einem nicht selten "magischen" Denken gegenüber. Und das meint keineswegs nur die manisch ihren alten Göttern anhängende Mutter Isoldes, die als irische Königin ein eisernes Regiment führt. Auch auf dem Festland wehren sich z.B. die Kirchenoberen gegen das Eindringen antiker Bücherweisheiten in eine rationalen Erwägungen Vorschub leisten wollende Gesetzgebung - und lassen die Bücher verbrennen.
Tristan bildet bei Grizmek eindeutig das Zentrum, ohne das Isoldes Rolle dabei zu kurz käme. Das setzt einen den Lesefluss erleichternden Fokus, der die zahlreichen Nebenstränge, das Hin und Her der Ereignisse besser bündeln hilft.
Den Sortimentern sei jedoch noch einmal eingeschärft: Auch wenn dieses Buch in einer Jugendbuchreihe herausgegeben wird, zielt es als äußerst unterhaltsame Lektüre gerade auch auf Erwachsene!
Grzimek belässt, ohne damit zu überfordern, einige Ausdrücke bewusst in kursiv gesetzter Fremdsprache oder/und in altertümlich geschriebenen Fremdworten - ein Zugeständnis, das als zusätzliches "Schmankerl" dem Eintauchen in jene Zeiten dient. Und er vermeidet auch keineswegs deftig eindeutige Szenenbeschreibungen. Nur gut, dass die einst bigott biedermeierlichen Bewahrungstendenzen ad acta gelegt sind und Jugendlichen somit vor derlei Realitäten nicht mehr die Augen verschlossen werden müssen. Eher könnte für jüngere Jugendliche der im letzten Viertel weniger auf Abenteuer sondern mehr auf die Beziehungsverwirrungen setzende Schwerpunkt für nachlassende Spannung sorgen - was aber Erwachsene gewiss wieder ganz anders sehen dürften. Von daher gilt es festzuhalten: Grzimek hat für seinen Roman eine derart gut abgestimmte und eingängige Sprachregelung gefunden, so dass sie, wiewohl an Erwachsene gerichtet, eben AUCH von lesegeübten Jugendlichen angenommen und verstanden werden kann. Ein neudeutsch so genannter All-age-Roman also für all jene, die Freude an derlei mythenhaften Abenteuer- und Liebesklassikern haben.

Weitere Besprechungen zu Werken von Martin Grzimek siehe:
Martin Grzimek: Ein Bärenleben (1995)
Martin Grzimek: Tristan (2011)

Buechernachlese © Ulrich Karger


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