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In der von dem Kirchenkritiker Horst Herrmann herausgegebenen Reihe
"Querdenken" meldet sich nun auch Jutta Ditfurth zu Wort. Einst Mitbegründerin
und Sprecherin im Bundesvorstand der GRÜNEN, verließ sie die
Partei 1991, um alsbald die ÖKOLOGISCHE LINKE zu gründen. Seit
1992 ist sie zudem eine von drei Bundesvorsitzenden der gewerkschaftlichen
Deutschen Journalisten-Union (dju) und ehrenamtliches Mitglied im Haupvorstand
der IG-Medien.
Überschrieben ist ihr Essay: "Anders oder gleich? Über
die Entwertung des Menschen". Ausgehend von der Égalité
der französischen Revolution bishin zu der im Grundgesetz verbrieften
Gleichheit des Menschen, argumentiert sie mit einer Vielzahl von erschütternden
Nachweisen (aber leider auch mit einer Vielzahl undifferenzierender Behauptungskeulen),
daß diese Gleichheit bestenfalls in Ansätzen vorhanden war und
z.Zt. und vor allem auf lange Sicht demontiert werden würde.
Einleitend heißt es dazu: "Was aus ihm (dem Menschen; U.K.)
wird, hat vor allem mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun,
in denen er lebt, auch mit einigen Entscheidungen, die er in diesem engen
Rahmen treffen kann. Und was könnte der Mensch alles sein! Um sein
ganzes Potential zu entfalten, müßte er allerdings in wirklicher
Freiheit leben und wirklich gleich sein."
Es folgt eine Analyse, die sich in erster Linie auf die philosophischen
Vorgaben von Marx und Engels beruft. Das ist völlig legitim, beweisen
doch die von Ditfurth gewählten Zitate beklemmende Aktualität.
Problematisch ist allerdings ihr andere Denkweisen verkürzender und
ausschließender Absolutismus inklusive der durchscheinenden Behauptung,
Marx und Engels als einzige "wirklich" deuten zu können. Letzteres
verlangt denn auch die Frage nach dem Addressaten ihrer Gedanken. Ein Mensch
in Deutschland kann es kaum sein, denn: "Manchmal erscheint mir dieses
Land wie der Ursprung aller Obrigkeitsstaatlichkeit, das Nest aller UntertanInnen."
Angehörige einer Religionsgemeinschaft können es auch nicht sein,
denn: "Alle großen Religionen, extrem kulturschaffende Ideologien
der Herrschenden, waren antiemanzipatorisch und frauenunterdrückend,
bevor es den Kapitalismus gab. Der Kapitalismus darf sich allerdings die
Eigenschaft zuschreiben, alles ihm nützliche Inhumane aus den geplünderten,
unterworfenen Kulturen auf das Wirkungsvollste miteinander verknüpft
zu haben."
Nur sie scheint als Märtyrerin der Erkenntnis den Kapitalismus
richtig einschätzen zu können. Dabei erinnert sie an jene StudentInnen,
die einst vor den U-Bahnhöfen ihr gutgemeintes Flugblatt-Kauderwelsch
zum Besten der ArbeiterInnen weitergaben.
Wer sich links von der Mitte der SPD begreift, sollte dennoch weiterlesen
und z.B. die privatimen, wie für die BILD-Zeitung formulierten Schläge
unter die Gürtellinie gegen den "Parvenus Josef Fischer" und
die "Großbürgerin Antje Vollmer" mit Nachsicht streifen.
Von wirklicher Bedeutung sind ihre Feststellungen zum neu erwachenden Rassismus,
dem offenkundig unbewußt auch eine überraschende Anzahl von
durchaus profilierten Linken nicht länger widerstehen kann. Auch hier
nennt sie Namen: Hans-Magnus Enzensberger, aber auch Daniel Cohn-Bendit
mit seinen "Roma-Sinti-Betrachtungen" oder, womöglich noch
unsäglicher, Christoph Türcke mit seinen auf einem "linken
Kongress" beklatschten Überlegungen zu "doch nicht zu leugnenden"Rassenmerkmalen. Dieses schleichende Unbewußtsein zeitigt bereits
Folgen, sei es in der Arbeitswelt bishin zu den "Visionen" in der
Gen-Technik. Wie sehr, belegt Ditfurth u.a. mit nachfolgendem Zitat: "Wir
könnten uns daher gezwungen sehen, darauf zu bestehen, daß alte
Menschen getötet werden, damit ihr Organe an jüngere, kritisch
kranke Personen umverteilt werden können, die ohne diese Organe bald
sterben müßten. Schließlich benutzen die alten Menschen
lebenswichtige Ressourcen auf Kosten von bedürftigen jüngeren
Menschen." So zitiert nach dem Bioethiker der Uni Kopenhagen Klemens
Kappel und Peter Sendoe, Vorsitzender der dänischen Tierethik-Komission.
Bleibt zu hoffen, daß Jutta Ditfurth möglichst bald ihrer
Verantwortung und ihrem Vermögen als Autorin nachkommt und anstelle
eines formal leicht abzuschüttelnden Pamphletes ihren Erkenntnissen
den Rahmen und den Rang eines Sachbuches gibt.
Weitere Besprechungen zu Werken von Jutta Ditfurth siehe:
Jutta Ditfurth: Blavatzkys Kinder (1995)
Jutta Ditfurth: Was ich denke (1995)
Weitere Besprechungen zu Werken von Horst Herrmann siehe:
Horst Herrmann: Kirchenfürsten (1992)
Horst Herrmann: Hrsg. der Reihe "Was ich denke" (1995)