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Schon der Buchtitel EIN MENSCH NAMENS JESUS ist für viele praktizierende
Christen und Christinnen aller Konfessionen eine Provokation, denn sie
können und wollen Jesus, den "Sohn Gottes", nicht einfach nur
als Menschen sehen. Gerald Messadié, "ein gläubiger
Katholik", versuchte aus den sich oft widersprechenden Angaben in den
Evangelien des Neuen Testamentes eine plausible Geschichte zu erzählen.
Unter Einbeziehung der neuesten historischen Kenntnisse wie sie für
den entsprechenden Zeitabschnitt im römischen Reich zuhauf vorliegen,
bis hin zu den Funden in Qumran (bis dato die ältesten Bibelhandschriften
u.a.) recherchierte er 10 Jahre lang für diesen Roman. Selbst die
feinsinnigsten TheologInnen werden G.M. zugestehen müssen, daß
ihm ein pralles Zeitpanorama geglückt ist. Selten (und ganz bestimmt
nicht in den zum x-ten Mal an Weihnachten und Ostern wiederholten Hollywood-Schinken)
wurde so kompetent und in anschaulicher Weise das spannungsgeladene Beziehungsgeflecht
der jüdischen Gruppen untereinander sowie zwischen Juden und römischer
Besatzungsmacht vorgestellt. Problematisch bis "blasphemisch" wird
es für die Gläubigen bei der Charakterisierung der Personen,
insbesondere der Jünger, denen der Autor alles andere als Hochachtung
zollt. Eine Empfängnis ohne Vorankündigung, die den angesehenen
Zimmermann und Priester Josef in große Verlegenheit bringt bis hin
zu einer "Auferstehung", die unter dem "Segen" des Prokurators
Pontius Pilatus stand, läßt G.M. nichts aus, was ihm früher
den Tod auf dem Scheiterhaufen eingebracht hätte.
ABER ..., G.M.
will sich nicht als effektheischender Ketzer verstanden wissen. Für
ihn war Jesus trotz aller Entlarvung mancher Legendenschnörkel ein
Mann, der für den Glauben an den einen Gott sein Leben gegeben hat
und der bis zuletzt von den meisten (auch von seinen Jüngern) nicht
verstanden wurde. Der Titel EIN MENSCH NAMENS JESUS ist insofern Hochstapelei,
als G.M. bei Jesus kräftige Farben scheut und die Schlußfolgerungen
für das Wie und Warum seines Lebensantriebes schuldig bleibt. Es sind
die Nebenfiguren, die das Vakuum in der Erwartung eines MESSIAS umranden
und es unbedingt noch zu ihren Lebzeiten gefüllt sehen wollen.
Um
diesem, bei allem Vorbehalt, fesselnden Roman etwas entgegensetzen zu können,
müßte man sich erstmal selbst sehr ernsthaft mit der Thematik
auseinandersetzen. Den christlichen Kirchen kann's nur recht sein!
Weitere Besprechungen zu Werken von Gerald Messadié siehe:
Gerald Messadié: Ein Mensch namens Jesus (1989)
Gerald Messadié: Moses - Herrscher ohne Krone (1999)
Gerald Messadié: Die Geliebte des Herrn (2005)
Gerald Messadié: Ein Freund namens Judas (2007/2009)]