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Marek van der Jagt entstammt einer Familie, die so wohlhabend wie in ihrer Kommunikation untereinander degeneriert ist. Marek ist insofern das 'schwarze Schaf', als er Liebe sucht, wo die anderen nur gesellschaftsrelevante Erfolge anstreben und um sich selbst kreisen. Kein Wunder, dass Mareks Vorstellungen von Liebe davon nicht unbeeindruckt bleiben. Lässt er die Umwelt erst seine permanent vorgetragenen Gedichte ignorieren, wird auch gleich seine erste sexuelle Begegnung zum Desaster. Eine jugendliche Touristin aus Luxemburg bewertet sein Glied als das eines Zwergen - und das auch noch im Beisein von Mareks Bruder, der offenbar weit besser 'ausgestattet' ist. Doch Marek findet Lösungen. Seine erste: Ist mein Glied so klein, dass es sich nicht vergrößern lässt, muss ich mich eben verkleinern. Und so watschelt er bald nur noch in der Hocke gleich einer Ente, um sich so seinem Glied anzupassen.
Der Held dieses Buches trägt den Namen des auf dem Umschlag angegebenen Autors. Das ist insofern bemerkenswert, als anlässlich der Verleihung des niederländischen Anton-Wachter-Preises - zu Recht! - der Verdacht aufgekommen ist, dass es sich hierbei um ein Pseudonym von Arnon Grünberg handelt, der diesen Debut-Preis jedoch schon 1994 in Empfang genommen hatte und demzufolge eigentlich nicht noch einmal damit hätte ausgezeichnet werden dürfen.
Wie auch immer: Oft von anderen Werken behauptet, ist 'Amour fou' tatsächlich kafkaesk, ja, könnte von Kafka selbst geschrieben sein, und zwar von einem Kafka in Höchstform. Doch da, wo Kafkas Entsetzen einen auf die Stelle zwingt und nicht vom Fleck wegkommen lässt, treibt van der Jagt es mit krudem Wiener Charme geradezu fröhlich voran. Der Wahnsinn hat hier nicht nur Methode, sondern auch Tempo mit erstaunlichen Rhythmuswechseln. Wahnsinn meint hier die Art der Wahrnehmung bzw. Nicht-Wahrnehmung menschlicher Gegenübers. Ein Tiefschlag - vorzugsweise von der Mutter - wird ausgeteilt, doch der hält den Helden nicht etwa auf, sondern lässt ihn gleich einer Billardkugel zur nächsten Bande trudeln. Das hält nur aus, wer Homer'scher Lakonie etwas abgewinnen kann, über die eigentlich nur die Götter lachen können. Fazit: Verrückt, wer hier nach Liebe sucht, oder: Die Liebe wird analog zur einen umgebenden Verrücktheit erlebt - davon abgesehen: Das Leben (und Sterben) geht weiter.
Ein hinreißendes Buch, das allein schon wegen seines letzten Absatzes geliebt werden muss - allerdings vermutlich nicht von Österreichern.
Weitere Besprechungen zu Werken von Arnon Grünberg alias Marek van der Jagt siehe:
Marek van der Jagt: Amour fou (2002)
Arnon Grünberg: Gnadenfrist (2006)
Arnon Grünberg: Der Heilige des Unmöglichen (2007)
Arnon Grünberg: Tirza (2008)