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Büchernachlese-Extra: Büchernachlese-Bestenliste 2025

Nils Westerboer

Lyneham

SF-Roman. Hobbit Presse (Klett-Cotta Verlag), Stuttgart 2025. 496 Seiten. 18,00 Euro. ISBN: 978-3-608-98723-2, >>> Amazon
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An seinem 12. Geburtstag landet Henry Meadows zusammen mit seinem Vater und seinen Geschwistern Chester und Loy in einem fernen Sonnensystem auf einem Mond namens Perm. Die Landung gelingt jedoch keineswegs störungsfrei, sondern verlangt ihnen und allen anderen Mitreisenden noch einiges ab, bis sie endlich eines der beiden quaderförmigen Biome von Lyneham erreicht haben und ihre Raumanzüge ablegen können. Den wenigen Menschen, denen die Flucht von dem für sie tödlich gewordenen Planeten Erde gelungen ist, stehen zum Überleben nun zwar eine Menge Hightech aber nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung. Offenbar konnte die Umformung von Perm in einen bewohnbaren, erdähnlichen Himmelskörper bestenfalls begonnen, aber längst nicht abgeschlossen werden. Deshalb wäre auch ein Aufenthalt außerhalb der Biome ohne Raumanzüge nach wie vor tödlich. Darüber hinaus darf in den geschlossenen Biomen nur in begrenztem Maße Energie verbraucht werden, damit die Innentemperatur nicht zu sehr steigt – denn die verbrauchte Energie kann nicht nach außen in die Atmosphäre Perms abgeleitet werden …
Mit „Lyneham“ legt Nils Westerboer seinen dritten SF-Roman vor, dessen konsequent und gleichwohl eingängig durchdeklinierte Vielschichtigkeit womöglich sogar noch seinen zurecht preisgekrönten Vorgängerroman Athos 2643 übertrifft.
Zuerst die für sich genommen ja keineswegs neue Grundidee, wonach die Menschen es in diesem Roman bereits geschafft haben, ein weiteres Leben auf der Erde zu verunmöglichen. Zugleich hatte aber immerhin noch ein winzig kleiner Teil dieser Menschen die Gelegenheit, eine Reise nach Perm schlafend in mit Deutolecith gefüllten Stasiskammern zu bewältigen. (Witzig und „irgendwie“ zugleich von bestechender Logik: Wer „Deutolecith“ in der Wikipedia-Suchleiste eingibt, wird nach „Eiklar“ bzw. „Eiweiß“ weitergeleitet.) Seine größte Faszination entwickelt der Roman jedoch durch die Beschreibungen und Erläuterungen zur Topografie und Biosphäre Perms – u.a. existieren auf Perm für menschliche Augen unsichtbare Lebewesen, die sehr klein, aber auch riesengroß sein können. Damit nicht genug, wird der Erzählstrang um Henry parallel noch ergänzt um den zu seiner Mutter Mildred Meadows, die als renommierte Wissenschaftlerin nicht mit ihrer Familie mitreiste, damit sie sie in einem weiterentwickelten Raketenantrieb um mehrere tausend Jahre „überholen“ und so Perm auf ihre Ankunft vorbereiten konnte – was auf den ersten Blick aber nur in sehr geringem Maße gelungen zu sein scheint, aber eben nur auf den ersten Blick …
Die Frage nach dem Überleben bildet sozusagen den Basso continuo und Ausgangspunkt des Spannungsbogens in diesem Roman, der mal mehr, mal weniger in den Vordergrund rückt, woraus sich aber auch immer neue Fragen ergeben, die ohne je die Handlung auszubremsen, zu rückblickenden wie auch zukunftsweisenden Betrachtungen führen wie z.B. für zu vermeidende oder gänzlich neu zu treffende Entscheidungen im Zusammenhang eines menschlichen Zusammenlebens in einer neuen Welt. Und da die durchgehend in sich plausibel angelegten Charaktere der Handlungsträger allesamt, wenn auch auf gänzlich unterschiedlichen Gebieten, sehr intelligent sind, vermögen sie auch überraschende Entscheidungen zu treffen und unvermutete Allianzen zu bilden. Neben den Metabetrachtungen sind es aber trotz aller KI-gestützten Lenkungsmaßnahmen natürlich auch ganz banale Egoismen, die für Konflikte unter den Bewohnern der Biome sorgen.
All diese unterschiedlichen Aspekte werden in dem Handlungsverlauf gleich einer Flipperkugel stets neu angestoßen bzw. nach vorne geschoben, ohne dass je die Sorge nachlässt, wann und wie die Kugel abstürzt bzw. Perm auch dem Überleben der allerletzten Menschen ein Ende setzt.
Von der ersten bis zur letzten Seite so anregend wie spannend, wird hier SF-Unterhaltung auf überragendem Niveau geboten und setzt damit immerhin einen kleinen Kontrapunkt zu den jüngsten politischen Entwicklungen, die auf geradezu absurd unglaubliche Weise das nötige Maß eines Zusammenwirkens zum generationenübergreifenden Erhalt eines für die Menschheit erträglichen Klimas auf unserem Planeten zu hintertreiben suchen.

Weitere Besprechungen zu Werken von Anthony Ryan siehe:
Nils Westerboer: Athos 2643 (2022)
Nils Westerboer: Kernschatten (Kurzhinweis 2023)
Nils Westerboer: Lyneham (2025)

Buechernachlese © Ulrich Karger


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