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Spätestens nach der Verfilmung von "Das Geisterhaus" dürfte
Isabel Allende als Autorin von Weltrang selbst Lese-Banausen ein Begriff
sein. Mit "PAULA" hat sie nun ihren "Lebensroman" vorgelegt.
"Hör mir zu, Paula, ich werde dir eine Geschichte erzählen,
damit du, wenn du aufwachst, nicht gar so verloren bist."
Schon bald aber dient dieses Erzählen der Familiengeschichte vor
allem dem eigenen Überleben am Bett der komatösen Tochter. Die
Kapitel, die über ein Jahr hinweg den jeweiligen Zustand Paulas und
die unternommenen Heilungsversuche schildern, korrespondieren mit einer
Biographie, die jede Fiktion um Längen schlägt. Selbst der entschlüsselte
Hintergrund zu "Das Geisterhaus" erweist sich um einiges bizarrer als der
gestaltete Roman. Es überrascht dann auch gar nicht weiter, daß
die Mutter Paulas nicht nur Schulmediziner, sondern auch Schamanen, Hexen
und Gebetsgruppen an das Bett der Tochter führt. Darüberhinaus
verweist diese Autobiographie - Isabel Allende ist die Nichte des ermordeten
Präsidenten Salvador Allende - exemplarisch auf die Geschichte Chiles.
Diese Familie Allende als faszinierend zu kennzeichnen, wäre ein Euphemismus.
Sie ist in keinen Schrank, geschweige denn in eine Schublade einzuordnen.
Von reaktionärem Dünkel bis zur heldenhaften Selbstaufopferung
für Unterdrückte reicht das schillernde Spektrum dieses Zeugnisses.
Isabel Allende selbst, die vielen mit ihren Aktivitäten im Untergrund
das Leben gerettet hatte, bekennt darin, das ihr Heldentum oft auch Frucht
ihrer Naivität war. Dieser Naivität stand aber stets zumindest
eine gehörige Portion an Willenskraft und Intuition gegenüber.
Ein Mal, ein einziges nicht zu vernachlässigendes Mal versagt die
Intuition Isabel Allendes allerdings: Sie verspüre noch heute gegenüber
einem Fischer, der sie als 8-jährige "nur" mißbraucht,
aber nicht "vergewaltigt" habe, ein "zärtliches Gefühl".
Da hilft es dann auch nicht, wenn dem Mann zwei Tage später von vielleicht
nicht ganz unbekannter Hand der Schädel eingeschlagen wurde. Darüber
hinwegzulesen fällt schwer, auch wenn der überwältigende
"Rest" einmal mehr ein Leseabenteuer ersten Ranges ist.
Weitere Besprechungen zu Werken von Isabel Allende siehe:
Isabel Allende: Der unendliche Plan (1992)
Isabel Allende: Paula (1995)
Isabel Allende: Fortunas Tochter (1999)
Isabel Allende: Die Stadt der wilden Götter (2002)