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Das Talent der Londoner Schriftstellerin Jenny Diski erweist sich als
anhaltend schöpferische Kraft, aktuellen Themen in formaler Vollendendung
zu begegnen. Daß sie dennoch nicht in Gefahr ist, "seelen-lose"
Phrasen zu drechseln, ermöglicht ihr die scheinbar banale Erkenntnis,
daß jedes Ding seine zwei Seiten hat, jedes Problem deshalb spannend
ist, weil es in Spannung zu dem es umgebenden Beziehungs-feld steht.
War es in ihrem Erstlingwerk KÜSSE UND SCHLÄGE der Anspruch
von Emanzipation, der sich an den masochistischen Neigungen der Protagonistin
rieb, gelingt dem nun vorliegenden Werk REGENWALD die Metaschau von den
Wechselbeziehungen zwischen Natur und Zivilisation, Chaos und Ordnung.
Die Wissenschaftlerin Mo fühlte sich mit "besten", d.h.
dem Schutz der Ökologie verpflichteten Absichten herausgefordert,
hinter dem Chaos vom Wachsen und Vergehen eines Regenwaldes in Borneo eine
Gesetzmäßigkeit zu erkennen.
Erzählt wird die Geschichte aus zwei Perspektiven: Einmal von
Mo, der gegenwärtig gefragten Putzfrau, die an diesem Vorhaben gescheitert
ist und in homogen eingebrachten Versatzstücken, die den Vorlauf zu
diesem Scheitern schildern. Dieser "Vorlauf" beginnt naturgemäß
nicht an der Universität, sondern mit der Kindheitsgeschichte Mo's.
Auch der Wald hat eine Stimme, kommentiert gleichgültig die menschlichen
Bewegungen in sich, auch die der rodenden Bauern. Nur an einer Stelle "staunt"
er über einige von uns:
"Sie waren so fremd, wie kein anderer Aspekt des Lebens es sein
konnte. Zerstörung - das Bedürfnis eines Wesens, seine Umwelt
zu nutzen, selbst wenn es zu seinem Nachteil war - gehörte zum Prozeß
des Lebens, so wie der Wald es verstand. Dieser andere Weg, der beobachtende,
beziehungslose Weg, war nicht zu begreifen."
Die einst auf die ratio schwörende Wissenschaftlerin Mo erlebt
die beunruhigenden Träume aus dem Regenwald gleichsam als Rache, der
sie nur noch mit der schlicht ordnenden Arbeit einer Putzfrau etwas entgegensetzen
zu können glaubt. Beunruhigend war und ist aber (nicht nur) für
sie lediglich die Ahnung von Leben, der sie keinen größeren
Raum geben darf, da sie sonst zuviel, wenn nicht alles völlig neu
"definieren" müßte.
Weitere Besprechungen zu Werken von Jenny Diski siehe:
Jenny Diski: Küsse und Schläge (1989)
Jenny Diski: Regenwald (1990)
Jenny Diski: Mutterkind (1992)
Jenny Diski: Esthers Traum (1994)