buechernachlese.de
|
Viele Religionen erzählen von einem Anfang der Welt, was wiederum ein Vorzeichen für ihre jeweiligen Vorstellungen und Glaubensinhalte bildet. All diesen "Schöpfungsgeschichten" ist gemeinsam, dass sie dabei nicht zuletzt auch nach dem Anfang der Menschen fragen.
Manfred Schlüter beschreitet nun mit "Am Anfang sagte der Apfel" einen ganz neuen Zugang zu Schöpfungsgeschichten. Denn natürlich haben auch Äpfel eine Vorstellung von ihrer Entstehung. Und wer meint, die können weder denken noch sprechen, der irrt. Ein Apfel "spricht sehr leise. Und viele hören seine Worte nicht. Nur, wenn man die Ohren weit, weit öffnet und groß wie Segel werden lässt, dann … dann kann man sie hören."
Und nicht nur sie, sondern ein ganzes ABC von Tieren, Pflanzen und Dingen, das in seinem Buch mit Bär und Chamäleon fortsetzt wird, dabei auch einen Kuss und davor selbst Gott nicht vernachlässigt und schließlich mit einem Zettel endet.
Außer eine gemeinsame für X und Y, gibt es für jeden Buchstaben eine Seite und daneben eine mal altmeisterlich, mal etwas plakativer ausgeführte, aber stets mit Witz um die Ecke herum kommentierende Ganzseiten-Farbillustration. Und alle Seiten sind gut anzufassen und umzublättern, weil in sehr dicker Fotodruckqualität.
Das ganze Buch ist ein im Wortsinn wunderbarer Beleg für die Doppelbegabung Schlüters, der aber nicht nur als Autor und Bildender Künstler sein Handwerk ausgezeichnet versteht, sondern damit eben auch einen subversiv anarchischen Humor zum Ausdruck bringen kann, der hier altersübergreifend einmal mehr gewiss nicht nur Kinder ansprechen wird.
Damit nimmt er jede/n auf seinen fantasievollen Gedankenspielen mit, um ganz am Ende mit einem "und DU?" zum Selbernachdenken über die eigenen Vorstellungen anzuregen. Schöner, unaufdringlicher und umso einleuchtender kann das Selbstverständliche am Anderssein kaum eingeführt werden.
Ein echtes Geschenk, das gerade in diesen von Schreckensnachrichten getränkten Zeiten seinen Preis voll und ganz wert ist und mit dem man nichts falsch machen kann - weder bei sich noch bei anderen.
Weitere Besprechungen zu Werken von Manfred Schlüter siehe:
Illustrationen zu Achim Bröger: Ich kann nicht einschlafen (1991)
Manfred Schlüter siehe Vorlesetipps-Extra (1995, 1996, 2000)
Manfred Schlüter: Das Perpezedum (2013)
Manfred Schlüter: Am Anfang sagte der Apfel (2016)
Manfred Schlüter: Der kleine Herr Jemine (2017)
Manfred Schlüter: Guruku Gugukuru (2020, Kurzhinweis)
Manfred Schlüter: Und draußen ist die Welt (2022)