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Hoch im Norden Deutschlands, in einem Kaff mit dreizehn Häusern lebte Adolf alias Moses Morawitz, der das Perpetuum mobile erfinden wollte. Denn, so dachte er, damit würden der Menschheit die Kraft und die Fähigkeit gegeben, auf Kriege verzichten zu können. Nachdem seine Uhr genau mit Beginn des Zweiten Weltkrieges stehengeblieben war und erst mit dessen Ende wieder zu laufen begonnen hatte, hing doch offenbar alles mit Allem zusammen …
Manfred Schlüter, nicht zuletzt bekannt als Illustrator zahlloser Kinderbücher u.a. von Autoren wie Michael Ende, Boy Lornsen und Achim Bröger, hat sich längst auch als Erzähler und Dichter einen Namen gemacht. In "Das Perpezudum oder Wie der alte Morawitz das Perpetuum mobile erfand" führt er uns ein Dorf vor Augen, dessen Einwohner zwar wenige, dafür aber lauter Originale sind. Darunter das trinkfeste Dreigestirn Eiermeier, Krabbenkrischan und Hermann Paster sowie deren Quelle Hinrich Jürgens als Hüter des "Eiergrogs". Und nicht zu vergessen die fromme Helene, die noch immer unverblühte, aber einseitig große Liebe des Titelhelden Morawitz.
Dem Umfang nach eine Erzählung, erheben die zahlreichen Perspektivwechsel, u.a. auch zu Zwischenspielen aus Sicht eines traurigen Engels, das Ganze zu einem Roman mit der Anmutung und Dramaturgie eines antiken Bühnenstücks. In dessen Mittelpunkt steht der alte, zuweilen aber auch noch junge Morawitz, der seine Kriegstraumata als Sammler von Strandgut anzugehen sucht - irgendwann wird irgendetwas davon zum Bestandteil seiner alle Nöte überwindenden Maschine werden. Mit dieser irrwitzigen Beharrlichkeit ein wenig an Don Quijote erinnernd, lebt die Geschichte aber vor allem von dem "Wie" ihres Erzählers.
Mal knackig kurz, mal in mäandernden Satzbauten gelingt Schlüter hier ein poetisches, im besten Sinne "verdichtetes" Prosastück, das einen gleich mit den ersten Zeilen einfängt und am Ende mit dem Gefühl entlässt, zusammen mit dem Titelhelden etwas zeitlos Gültigem auf die Spur gekommen zu sein. Und dieses zeitlos Gültige wird geerdet vom norddeutschen Singsang und von den in Sprüche geklopften Ein- und Ansichten besagter Originale, so dass neben manch Tragischem auch der Humor hier keinesfalls zu kurz kommt.
Am Ende des wunderschön als Hardcover mit Lesebändchen und zwei kleinen Fotografien ausgestatteten Buches gibt es zudem noch einen Anhang mit Verweisen auf z.T. kuriose Einträge in alten und neueren Lexika zum Perpetuum mobile.
Ein Buch, das zur wiederholten Lektüre einlädt und dabei stets neue Entdeckungen erlaubt - wer also sich oder anderen eine Freude machen will, wird damit sehr gut bedient sein.
Weitere Besprechungen zu Werken von Manfred Schlüter siehe:
Illustrationen zu Achim Bröger: Ich kann nicht einschlafen (1991)
Manfred Schlüter siehe Vorlesetipps-Extra (1995, 1996, 2000)
Manfred Schlüter: Das Perpezedum (2013)
Manfred Schlüter: Am Anfang sagte der Apfel (2016)
Manfred Schlüter: Der kleine Herr Jemine (2017)
Manfred Schlüter: Guruku Gugukuru (2020, Kurzhinweis)
Manfred Schlüter: Und draußen ist die Welt (2022)
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