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Peter Christen Asbjørnsen (1812-1885) und Jørgen Moe (1813-1882) haben mit ihren Märchensammlungen in Norwegen eine ähnliche Wirkung entfaltet, wie im deutschen Sprachraum die Gebrüder Grimm. Die Übersetzung der Märchen von Asbjørnsen und Moe hatte 1847 Friedrich Bresemann besorgt, die zuletzt 1985 als 5. Band der "Anderen Bibliothek" unter dem Titel "Norwegische Märchen" von Hans Magnus Enzensberger herausgegeben wurde.
Für die Reihe ihrer Lieblingsbücher wählte daraus die Illustratorin Kat Menschik zwölf Märchen aus und bettete sie unter dem Titel "die Puppe im Grase" in ein wunderschön von ihr gestaltetes Büchlein ein, das mit ihren Illustrationen kongenial den Geschichten Rechnung trägt. Menschiks sehr eigene, in schwarz gezogene Strichführung, die Flächen meist dunkeltürkis oder/und weiß gefüllt sowie ein kräftiges Rot zum Hervorheben bestimmter Bildelemente, gemahnt dabei ein wenig an den Jugendstil und ist zugleich sehr heutig.
Eine Übersetzung von 1847 unterscheidet sich merklich von heutigen Sprachgepflogenheiten - doch gerade das kann auch einen weiteren Reiz zur Lektüre dieser Geschichten ausmachen, verdeutlicht sie doch unmittelbar die Zeitspanne der schriftlichen Niederlegung dieser Märchen vor über 170 Jahren und lädt einen damit auch zugleich in das einstige Umfeld ein, in denen die Märchen einander erzählt wurden.
Nichtsdestotrotz ist die sprachliche Hürde nicht allzu groß, schnell liest man sich in diese altertümliche Sprachregelung ein, noch dazu, wenn einem vertraute Figuren wie "Däumerling" und "Aschenbrödel" überraschend neu, weil zum Teil ganz anders als in "unseren" Märchen begegnen. Wie im Deutschen münden auch im Norwegischen die Märchen in einer "Moral von der Geschicht'", aber in dieser Übersetzung aus dem Norwegischen ist der Ton weit lapidarer und, damit an das Homerische Gelächter gemahnend, auch nicht frei von einem schwarzhumorigen Unterton. (Mag durchaus sein, dass das eigentlich auch für die Grimm'schen Märchen vor deren Übertragung ins Kinderdeutsch galt.)
Somit wird die Lektüre, umrahmt von den schönen Illustrationen, zu einem echten Lesevergnügen, und nicht nur Bibliophile und Märchenliebhaber dürften an dem derart fein ausgestatteten Buch viel Freude haben.
Weitere Besprechungen zu Werken mit Illustrationen von Kat Menschik siehe:
Enn Vetemaa: Die Nixen von Estland (2002)
Tilman Spreckelsen: Der Mordbrand von Örnolfsdalur und andere Isländer-Sagas (2011)
Franz Kafka: Ein Landarzt - Kleine Erzählungen (2016)
Volker Kutscher: Moabit (Kurzhinweise 2017)
Schota Rustaweli/Tilman Spreckelsen: Der Held im Pardelfell (2018)
Asbjørnsen/Moe: die Puppe im Grase (2019)
Kat Menschiks & des Diplombiologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes Illustrirtes Thierleben (2020)
Asta Nielsen: Im Paradies (2023)
Russ Hodge: Lebenskünstler - Von frostfesten Fischen, radioaktivitätsresistenten Bärtierchen und selbstheilenden Amphibien (2024)