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1994 war Klaus Kordon gleich in mehreren Verlagen präsent, u.a. mit einer hervorragenden Kästner-Biographie, seinen 'Männer-Geschichten' unter dem Titel ADAMS APFEL und mindestens drei Kinderbüchern. Eines davon ist 'LÜTT LUFTBALLON', erschienen im Erika Klopp Verlag.
Das plattdeutsche 'lütt' steht für 'klein', und Henning Lütjen war in der ersten Klasse sehr klein. Bei den Ausflügen mußte er stets einen roten Luftballon über sich schweben lassen, damit er nicht übersehen oder vergessen wurde. Seitdem hatte Henning seinen Spitznamen weg. Alle nannten ihn nur noch 'Lütt Luftballon', und spätestens seitdem überlegt Henning, wie er größer werden könnte, um diesen Spitznamen Lügen zu strafen. Sein Freund Johnny Binckerbanck hatte ihm als erstes 'Streckübungen' angeboten. Hennings Hände und Füße wurden an den Bettenden festgezurrt und immer straffer gezogen. Den ersten Tag ließ sich Henning eine halbe Stunde foltern, danach jeweils 10 Minuten länger, bis er es am vierten Tag auf eine ganze Stunde gebracht hatte. Trotz genauester Messungen war ihm aber nicht einmal ein Millimeter Zuwachs vergönnt gewesen. Egal ob Henning nun wie ein Besessener trainierte, Schwimmen ging, Hanteln stemmte, zum Lieben Gott betete oder Großmutters Möhren aß - nichts half. Dann startete er zusammen mit Johnny Binckerbanck den 'allerletzten Versuch': Um Mitternacht bei Vollmond wollte er vom Scheunendach herunterpinkeln und eine Beschwörungsformel sprechen. Das birgt einige Gefahren, nicht zuletzt weil es von so einem Scheunendach ganz schön in die Tiefe geht ...
'LÜTT LUFTBALLON' ist unangestrengtes Lesefutter. Insbesondere für solche 'Helden', die aus ähnlichen oder anderen Gründen ihre Ferien im Krankenbett verbringen müssen. In der überschaubaren Dorfidylle von Lüttjenholm finden sich aber auch gesunde Kinder ab 9 Jahren schon bald zurecht. Streiche spielen, Rache nehmen, Blödsinn aushecken, Fan-Träume zu einem Pop-Star nachgehen, erste Liebesgeschichten und zuweilen ernste Gespräche mit Tiefgang führen - all das erzählt Klaus Kordon sehr unbeschwert, unterhaltsam und ohne moralinsauren Zeigefinger, kongenial unterstützt von den köstlichen Schwarzweiß-Illustrationen des Niederländers Philip Hopman. Am Ende jedenfalls hat sich Henning mit seinem Geschick (vorerst) abgefunden, denn erstens kommt es auf die innere Größe an und zweitens kann man als kleiner Mensch zu den Pop-Konzerten umsonst durchs Turnhallenklofenster hinein.
Weitere Besprechungen zu Werken von Klaus Kordon siehe:
Klaus Kordon & Peter Schimmel: Die Lisa (1991)
Klaus Kordon: Die Zeit ist kaputt - Die Lebensgeschichte des Erich Kästner (1994)
Klaus Kordon: Adams Apfel (1994)
Klaus Kordon: Lütt Luftballon (1994)
Klaus Kordon: Der goldene Ritter (1996)
Klaus Kordon: 1848 (1997)
Klaus Kordon: Joss oder der Preis der Freiheit (2014)