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Mutter und Schwester geben in der Grundschule noch Einiges für den Flohmarkt ab, als der fünfjährige Jannis nach draußen rennt. Dort sieht er einen sehr großen Teddybären. Der Mann dahinter reicht Jannis den Teddybären und nimmt seine Hand. Ganz einfach. Und seither ist Jannis verschwunden. Die beiden Wiesbadener Ermittler Ben Neven und Christian Sandner sollen die Familie von Jannis beruhigen, befürchten jedoch selbst schon bald das Schlimmste - nicht zuletzt, weil es womöglich einen direkten Zusammenhang mit der nie aufgeklärten Entführung eines anderen Kindes in Österreich zu geben scheint.
Jan Costin Wagner eröffnet nach seinen in Finnland angesiedelten Kriminalromanen um Kimmo Joentaa mit "Sommer bei Nacht" eine neue Reihe, die zwar ebenfalls einen Kriminalfall mit zwei Ermittlern als Hauptfiguren vorstellt, jedoch noch stärker als die Kimmo-Joentaa-Romane das Genre mit einem elegisch-poetischen Grundton zu unterlaufen sucht.
Jedes Kapitel hat den Vornamen einer der Protagonisten als Überschrift. Der Entführer des Kindes wird gleich im ersten Kapitel als "Marko" vorgestellt. Die Handlung wird somit stets aus einer anderen Perspektive weiterentwickelt, was zugleich die, je nach Betroffenheit, ganz unterschiedlichen Gedanken und Gefühle einführen soll. Das erlaubt zwar eine gewisse "Gleichrangigkeit" der agierenden Charaktere wie Opferangehörige, Täter und Ermittler, sorgt aber für einen sehr zähen Lesefluss. Ganz abgesehen davon, dass manches Denken wie nicht von dieser Welt scheint, und in Wirklichkeit wohl doch zuweilen weniger "gedacht", als z.B. im Reflex gehandelt wird. Zudem geht dieses "Denken" zulasten üblicherweise doch umfassenderer Dialoge zwischen den Ermittlern. Somit fehlt es auch des Öfteren an innerer Plausibilität, die jeder Art von Literatur zu eigen sein sollte.
Zuletzt kommt den Ermittlern für die Aufklärung ein zwar lange angebahnter, nichtsdestotrotz arg konstruierter Zufall zu Hilfe und einer der beiden Ermittler wäre aus mindestens zwei justiziablen Gründen eigentlich sofort vom Dienst zu suspendieren gewesen.
Für sich allein vermag dieser Roman also nicht zu überzeugen und fällt mit seinem, wenn schon nicht inhaltsleeren, so doch nur fragmentarisch befüllten "poetischen" Duktus weit von den Kimmo-Joentaa-Romanen ab. Bleibt nur noch die kleine Hoffnung, dass Wagner daraus im Folgeroman einen Phönix aufsteigen lässt.